Di
03
Sep
2013
Gryffindor & Co
Gestern Abend war der erste Elternsprechabend. Obwohl, eigentlich war es mehr ein Informationsabend für die Eltern. Leider war abends ein heftigster Gewitterschauer, sodass es ein, selbst für Bangalore ungewöhnliches, Verkehrschaos gab. Das Wasser stand teilweise 20-30 cm hoch auf der Straße, es gibt ja kein vernünftiges Kanalsystem und die Two-wheeler Fahrer haben sich patschnass zwischen den Autos durchgequält. Die Nerven lagen vielfach blank, Shekar hat beim Vorbeifahren einen Mopedfahrer nass gespritzt (es ging praktisch gar nicht anders), erst gab es daraufhin ein heftiges Wortgefecht auf Kannada (unterm Fahren) und beim nächsten Verkehrsstillstand ist der Zweiradfahrer sogar abgestiegen und hat Shekar durch das offene Fenster gedroht...ich dachte wirklich er schlägt jetzt dann gleich mit dem Helm zu.
Letztendlich sind wir eine halbe Stunde zu spät gekommen, aber wir waren nicht die Einzigen. Der Informationsabend lief dann so ab, dass die verschiedenen Fachschaften (Science, Languages etc...) jeweils eine Viertelstunde Zeit pro Klasse hatten und sich vorstellten, beziehungsweise für Fragen zur Verfügung standen. Die Jungs haben ja schon mal gesagt, dass an der Schule eigentlich alle Lehrer cool sind und ich kann diese Aussage eigentlich nur bestätigen, kein Vergleich zu den oft unmotivierten Lehrern an deutschen Schulen, ich weiß, es gibt auch andere, aber wahrscheinlich ist eh das System Schuld, hier an der (Privat-)Schule hat man das Gefühl der Mensch Schüler und die individuelle Förderung stehen im Vordergrund und nicht das Durchpauken des Lehrplans. Das lässt sich allerdings auch leicht machen mit genügend Lehrern... an der Stonehill International arbeiten ungefähr genauso viele Lehrer wie am Hallertau Gymnasium Wolnzach, allerdings bei etwas mehr als 300 Schülern im Vergleich zu gut 1200...
Der Zeitplan wurde minutiös eingehalten und dazwischen war auch noch Zeit für Kaffee und Kekse und dabei ist mir die Idee für diesen Blog gekommen. Es gibt an dieser Schule nämlich genauso wie in Hogwards vier Häuser, nämlich ¨Gandhi¨, ¨Nehru¨, ¨Chawla¨ und ¨Bagendri¨. Benedict und Sebastian sind beide im Haus Chawla. Das hat mich natürlich wieder neugierig gemacht was es damit auf sich hat (also nicht mit den Häusern sondern mit den Paten):
Mohandas (Mahatma) Gandhi (2.10.1869 – 30.1.1948) ist ja vermutlich jedem ein Begriff, die Symbolfigur für gewaltfreien Widerstand schlechthin. Sein Beiname Mahatma stammt übrigens aus dem Sanskrit (sozusagen dem klassischen Alt-Indisch) und bedeutet ¨große Seele¨. Er ist hier auch auf jedem Geldschein, von 5 Rupees bis 1000 Rupees abgebildet und ist auch sonst ueberall praesent. Außerdem beschert er mir Anfang nächsten Monats einen Feiertag zu seinem Geburtstag...:-)
Jawarhal Nehru (14.11.1868 – 27.5.1964) kennt man wahrscheinlich auch noch, der erste Ministerpräsident Indiens nachdem man die Briten rausgeschmissen hat. Er ist auch der Vater einer anderen wichtigen Persönlichkeit der indischen Geschichte, nämlich Indira Gandhi, die mit dem oben erwähnten Gandhi gar nicht verwandt ist.
Ich habe mich ja vor der Abreise nach Indien auch ein bisschen mit der Geschichte Indiens befasst und unter anderem auch mit den Ereignissen die letztendlich zur Ermordung Indira Gandhis geführt haben und das kommt bei den Indern immer sehr gut an wenn sie merken dass man sich wirklich interessiert...
Aber jetzt stößt die Allgemeinbildung langsam an die Grenzen...Bachendri?, Chawla? Günther Jauch hätte wahrscheinlich seine Freude dran...also es handelt sich um zwei ganz tolle indische Frauen:
Bachendri Pal (geboren 24.5.1954) ist die erste indische Frau die den Mt. Everest bestiegen hat (am 23.5.1984)
und schließlich Kolpana Chawla (1.7.1961 – 1.2.2003) (das Haus hätte ich auch gewählt):
Sie war die erste indische Astronautin. Sie ist bei ihrer zweiten Space Shuttle Mission (STS 107) an Bord der Columbia ums Leben gekommen als die Raumfähre wegen eines defekten Hitzeschildes, das beim Start beschädigt worden war, beim Wiedereintritt verglüht ist (Die Älteren unter uns erinnern sich...nein, nicht die Challenger, das war ´86 kurz vor Tschernobyl, irgendwie kein gutes Jahr, ich habe damals gerade in München gewohnt, aber das ist eine andere Geschichte...;-) .
Soviel zu den Häusern meiner Jungs, aber jetzt kommt die große Überraschung: Ich bin auch Mitglied eines Hauses...:-) nur wusste ich das lange gar nicht. Unser indischer Firmenableger dem ich momentan (zumindest teilweise, aber das wäre jetzt zu kompliziert) nominell zugeordnet bin, auch wenn ich eigentlich mit den Leuten fast nichts zu tun habe, hat seine Belegschaft auch in vier ¨Häuser¨ oder vielleicht besser Gruppen unterteilt. Die Namen lauten: Prithvi, Vayu, Agni und Aakash. Das sind durchweg Begriffe aus dem Sanskrit und bedeuten in der Reihenfolge: Erde, Luft, Feuer und hmm, vielleicht Äther, der Raum, der alles umgibt. Um alle Elemente die sich im Äther aufhalten komplett zu haben fehlt noch Jala, das Wasser, aber wahrscheinlich muss da erst noch die Belegschaft aufgebaut werden um eine neue Gruppe zu eröffnen... mich hat man zur Gruppe Vayu dazugeschlagen, eine echte Luftnummer also..;-)
Die Gruppen können im Laufe des Jahres Punkte sammeln, z.B. hätte man am Tag vor dem Unabhängigkeitstag punkten können wenn man in den indischen Nationalfarben gekleidet erschienen wäre, nur arbeite ich ja eh nicht in dem Büro...
Ich weiß es nicht genau, aber mein letzter Stand war, dass Vayu sich auf dem dritten Platz befindet...da müssen wir uns noch ein bisschen anstrengen wenn wir am Ende des Jahres einen Preis bekommen wollen...
So und fuer alle die jetzt Appetit auf Sanskrit bekommen haben: http://www.odinring.de/sanskrit/worte.htm
Do
05
Sep
2013
Die Ratte
Warum muss es immer zur Eskalation kommen? Warum schafft man es nicht friedlich nebeneinander her zu leben? Man muss sich nicht unbedingt mögen, man muss sich halt tolerieren, gegenseitig Freiheiten einräumen... aber wann hat die Toleranz ein Ende und wann darf der Kragen platzen? Muss man sich alles bieten lassen? Oder gibt es einen Punkt an dem man auch Gewalt einsetzen darf, selbst wenn man damit rechnen muss, dass der Ausgang des Konflikts vermutlich tödlich sein wird...?
Ich habe ja schon mal erwähnt, dass wir in unserem Büro einen Unter-/Obermieter haben, nacht aktiv, tagsüber hört man höchstens mal sein Trampeln wenn er scheinbar nicht schlafen kann. Wir sind (wenn überhaupt) tag aktiv und nachts in der Regel gar nicht da, beste Voraussetzungen also für eine friedliche Ko-existenz. Bis am Montag das Telefon ausfiel. Wir haben es erst gar nicht bemerkt, dass es sich um einen feindlichen Angriff handelte und haben die Ursache halt wie immer in der katastrophalen indischen Infrastruktur vermutet. Sicher, andere Telefone funktionierten, aber was weiß ich wie die Verteilung hier geregelt ist, zugegeben im Nachhinein waren wir vermutlich naiv.
Dann am nächsten Morgen die Gewissheit, unser Nachbar hat sich schamlos über meinen Kaffeeweisser hergemacht (den ich by the way eh nicht verwende, weil er so greislich schmeckt, dass ich mir angewöhnt habe den Kaffee schwarz zu trinken).
Während ich also, typisch deutsch, noch nach friedlichen Lösungen gesucht habe, hat Eric schon lange erkannt das man mit List und Tücke und letztendlich Gewalt voranschreiten muss. Ob das typisch französisch ist weiß ich nicht... jedenfalls hat er nicht lange rumgefackelt und heute eine ¨Klebefalle¨ mitgebracht. Was es nicht alles gibt. Angeblich ist der Kleber so stark, dass eine Ratte sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien kann. Als Köder hat er Tomaten verwendet, scheinbar wirkt das am Besten bei indischen Ratten.
Auf die Frage hin was er denn tun wird, wenn ihn die Ratte am nächsten Tag aus treuen Augen mit herzerweichendem Blick anschaut hat er gesagt: ¨...some of them die on the spot probably caused by a heart attack, if it still lives, we have to kill it...¨ Die weisen Worte eines erfahrenen Rattenjägers... Wie genau diese Exekution aussehen soll hat er nicht preisgegeben...
Jetzt bin ich ja morgen gar nicht da, weil wir unseren 4 Tage Wochenend-Trip nach Delhi/Agra vor uns haben. Ich weiß nicht ob es gut ist den Kameraden in dieser schweren Stunde im Stich zu lassen, aber Eric hat gesagt, er wird mich per SMS auf dem Laufenden halten (wenn es ein Foto gibt per MMS)...
Unser Gebäude ist noch keine 5 Jahre alt, wie kann es diese Ratte überhaupt geben? Das ist wieder typisch indisch, der Fliesenboden ist an vielen Stellen bereits kaputt, die Toiletten sehen aus, dass ich dem lieben Gott (oder Brahman) jeden Tag dankbar bin, dass ich im Stehen pinkeln kann, aber der Aufzug hat vor kurzem einen Software Update bekommen, so dass man jetzt Kaufhausgedudel hört und eine nette Damenstimme jedes Stockwerk herzlich begrüßt. Man stolpert hier immer und überall von einem Extrem ins andere... mal sehen in welche Richtung das Pendel in Nordindien ausschlagen wird.
Nachtrag: Ich habe gerade gesehen, dass Shekar heute ein Mittel gegen unsere kleinen Ameisen besorgt hat... mit dem aussagekraeftigem Namen DEADLINE...
Ich glaube ich muss hier meine pazifistische Grundeinstellung nochmal ueberdenken...
So, jetzt aber schleunigst ans Packen, morgen frueh um vier muessen wir schon im Auto sitzen...
Di
10
Sep
2013
Das goldene Zweieck
Jaipur – Delhi – Agra, die drei Staedte werden gemeinhin als ¨The golden Triangle¨ bezeichnet, Pflichtprogramm sozusagen fuer jeden Studiosus-Reisenden. Jaipur liegt in Rajasthan und ich moechte ja gerne eine Zugfahrt durch die Wueste Rajasthans unternehmen und da bietet sich Jaipur als Ausgangspunkt an. Also blieben fuer dieses verlaengerte Wochenende Delhi und Agra uebrig...und diese beiden Staedte bieten eh schon mehr als man in vier Tagen anschauen kann. Allein Delhi hat schon zwei vollkommen unterschiedliche Gesichter, New Delhi und Old Delhi.
Ich werde also die naechsten Blogs ueber Delhi und Agra schreiben, ein bisschen Geduld also noch, jetzt muss ich erstmal dringend ins Bett, vier Stunden, dann ist die Nacht vorbei und der Schul-/Arbeitsalltag beginnt fuer diese Woche...allerdings vermutlich ohne Ratte im Buero. Am Freitag frueh als ich nach der Landung mein Handy am Flughafen in Delhi eingeschalten habe, wartete bereits eine SMS von Eric auf mich, zwei Woerter: ¨Mission accomplished¨...
Di
10
Sep
2013
Delhi/Agra part 1: Neu Delhi
6.9.
Vor dem Reisebericht kommt allerdings noch eine ganz kurze Geschichtsstunde. Sorry, das muss sein, damit man den groben Überblick hat, was wir den eigentlich gesehen haben, wovon ich überhaupt schreibe und was auf den Fotos zu sehen ist... und letztendlich möchte man ja auch ein bisschen wissen was es mit dem Taj Mahal auf sich hat und die dazu passende hollywood-reife Liebesgeschichte, wie es dazu kam etc. (dazu aber erst später).
Also, die letzten knapp 1000 Jahre nordindischer Geschichte im Schnelldurchlauf, von mir interpretiert und wiedergegeben ohne jeglichen Anspruch auf Richtigkeit oder gar Vollständigkeit...einfach das, was ich glaube in den letzten Tagen verstanden zu haben.
Ich würde grob 4 Zeiträume unterscheiden, die Herrschaft der Sultane in Delhi ab 1206, sie wurde abgelöst von den Mogulen in 1526, die dann bis 1858 herrschten (das ist eigentlich die interessante Zeit), schließlich die Zeit der Briten 1858 bis 1947 und die Zeit danach...
Die Sultane waren islamischer Herkunft und haben Anfang des 13 Jahrhunderts die Macht in Delhi übernommen, das ist jetzt allerdings nur von Interesse, weil wir das Qutb Minar angeschaut haben, ein sehr imposanter Turm in einer verfallenen Moschee (der Quwwat-ul-Islam Moschee) und zu Recht Weltkulturerbe.
1526 eroberte Barbur, der aus dem wilden Usbekistan kam, Delhi und begründete das Mogulenreich. Sein Sohn und Nachfolger war Humayun, dessen Grabmal in Delhi steht (am gleichen Platz steht auch das ca. 20 Jahre ältere Grab von Isa Khan, einem Gegner der Mogulen). Humayun wiederum wurde beerbt von Akbar, der den Herrschersitz nach Agra verlagerte und das Fort in Agra baute. Im folgte der Sohn Jahangir auf den Thron, ein Förderer der Kunst, der allerdings auch gerne mal zu tief ins Weinglas schaute und auch dem Opium zugeneigt war. Die Regierungsgeschäfte überließ er zunehmend seiner Frau Nur Jahan.
Der nächste in der Reihe war dann schließlich Sha Jahan, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der Erbauer des Taj Mahals, seine Geschichte folgt, wie gesagt, an passender Stelle...
Die folgenden Großmogule, Sha Jahans Sohn Aurangzeb und Nachfahren leiteten dann allerdings eher den Verfall des Reiches ein, bis schließlich 1858 die Briten mit ihrer Ost-Indien Kompanie das Reich in die Kolonie Britisch-Indien überführte... das war´s dann mit den Mogulen...
Die Briten wurden ja dann, wie wir bereits wissen, 1947 rausgeworfen und seitdem versucht sich Indien ja selbst zu regieren...
In der Zeit der Sultane und Mogule ging es übrigens praktisch niemals friedlich zu beim Machtwechsel, und dass man mal seinen Bruder ermorden musste war eigentlich eher an der Tagesordnung...
Und dann sollte man noch wissen, dass es in der Gegend ja schon immer Moslems und Hindus gab, was eine besondere Herausforderung für die Herrscher darstellte, man wollte ja keinen vor den Kopf stoßen. Dieser Umstand wurde auch bei den Bauten berücksichtigt, so gab es z.B. eigentlich auch immer irgendwo in den Anlagen eine integrierte Moschee. Das und natürlich der Einfluss der persischen Baukunst macht diesen Baustil, vor allem aus der Mogulzeit so einmalig und, wie ich finde, attraktiv.
Soviel zum groben geschichtlichen Rahmen, jetzt aber zu unserem Ausflug...
Freitag früh um kurz nach drei klingelt der Wecker, Abfahrt Richtung Flughafen um vier, Shekar hat es vorgezogen draußen im Auto statt zuhause zu schlafen, damit er auch pünktlich zur Stelle ist.
Ankunft am Flughafen Delhi 9:30 nach drei Stunden Flug. Für 500 Rupees pro Person konnten wir unsere Sitzplätze insofern ¨upgraden¨, dass wir mit mehr Beinfreiheit am Notausgang saßen. Bei der Bestuhlung der Airline (Spicejet), die auf indische Standardgrösse ausgelegt ist, war das auch bitter nötig.
Am Flughafen hat uns dann auch schon unser Fahrer und angeblich Führer für die kommenden 4 Tage, Billu, erwartet. Er bekam allerdings ziemlich schnell wegen seines Aussehens und seines Gemüts den Spitznamen Balu. Das Problem war, dass er kaum Englisch sprach, was ihn natürlich als Führer disqualifizierte und auch ansonsten ziemlich hinderlich war.
Nach dem Einchecken im Hotel ¨The Hans¨, 19ter Stock...haben es die Jungs vorgezogen erst mal die verlorenen Schlafstunden der vorhergehenden Nacht nachzuholen, Kathrin und ich haben uns zu Fuß auf den Weg gemacht um die ersten Delhi-Erfahrungen zu sammeln. Erster Eindruck: Temperatur ca. 10 Grad höher als in Bangalore, sprich 35 Grad und schwül, aber die Stadt im Vergleich zu Bangalore sehr sauber, breite Straßen, gesitteter Verkehr, viel weniger Autos, fast schon mondäne Großstadt. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht realisierten, war, dass wir uns ja bis dato ausschließlich in Neu-Delhi aufhielten, Alt-Delhi ist, wie wir am nächsten Tag feststellten komplett anders.
Unser Weg führte uns schließlich in ein Geschäft, das traditionelle indische Kleidung verkaufte und da wir für kommenden Samstag Karten für einen Indien Abend im Mariott-Hotel haben, haben wir uns dafür gleich mal das entsprechende Outfit besorgt.
Zurück mit der Motor-Rikscha ins Hotel, die Kinder abholen und dem Fahrer, der inzwischen auch wieder erschienen ist erst mal klar machen, dass es jetzt an der Zeit für Lunch wäre. Der hat uns dann auch in der Nähe des India Gates zu einem Platz mit Touri-Lokalen gebracht, wo wir erst mal von Unmengen an Bettlern und zwielichtigen Verkäufern bedrängt wurden und ich gegen Bezahlung einiger Rupees Bekanntschaft mit einer Kobra und einer Klapperschlange machen durfte...
Nach dem Essen dann Sight-seeing durch Neu-Delhi, erst ein Foto am India Gate einem imposanten Kriegerdenkmal für die Gefallenen des ersten Weltkriegs, allerdings wieder mal umlagert mit den typischen Touristenfängern und sonstigen Bettlern, die einem schon zunehmend auf die Nerven gingen. Vor allem handelt es sich dabei oft um junge Mädchen, die im Auftrag Bändchen anfertigen, Henna-Bemalungen machen oder einfach nur mitleidig schauen etc., alles unter der Aufsicht der Strippenzieher, die sich aber brav im Hintergrund halten. Manchmal hilft nur noch die Autotür vor der Nase zuzuschlagen, schrecklich.
Eine Prachtstraße führt dann hinauf zum Regierungssitz und zum Parlament, alles sehr schön angelegt, einer Hauptstadt würdig.
Anschließend dann zum Grabmal des Humayun (s.o.), eine große Anlage, in der nicht nur der Grossmogul begraben liegt sondern wo ringsrum noch jede Menge anderer Grabmäler (unter anderem ist hier auch sein Lieblingsbarbier begraben) und andere Bauten zu finden sind (z.B. das Grab von Isa Khan). Sehr beeindruckend, fast schon zu beeindruckend, sodass ich fast schon Angst hatte ob das alles durch den Taj Mahal überhaupt noch getoppt werden könnte. Der Eintritt ist hier übrigens, wie bei allen indischen Sehenswürdigkeiten, ziemlich unterschiedlich zwischen dem was von Indern verlangt wird (10 Rupees) und dem was von Ausländern verlangt wird (250 Rupees). Ich habe vorher den Tipp bekommen meinen indischen Führerschein mitzunehmen und die FRRO Bescheinigungen von der Familie um als Einheimische anerkannt zu werden (¨We are Indian residents, we live in Bangalore¨) und siehe da, es hat fast immer funktioniert, bis auf den Taj Mahal, da klappte es leider nicht (aber auch das war mir vorher schon gesagt worden). Dort muss man dann mit 750 Rupees auch am meisten abdrücken, was aber für europäische Verhältnisse immer noch erträglich ist. Kinder bis 15 Jahren sind übrigens frei und da die beiden Jungs ja erst 13 und 14 sind griff das natürlich, die Schwierigkeit war nur immer, dass die Inder ohne Nachweis nicht so leicht geglaubt haben, dass die Beiden, jeder inzwischen über 1,80 und damit größer als ich, wirklich noch so jung sind...
Humayuns Grab war gerade von einem sehr abenteuerlichen Gerüst umgeben, wie ich kurz darauf in der Zeitung lesen konnte haben sie gerade eine neue, in Aegypten erstandene, Grablampe angebracht.
Nach Sonnenuntergang hat uns Balu dann zum Connaught Circle gebracht, dem Mittelpunkt Neu Dehlis und ganz in der Nähe unseres Hotels, wo wir eine tolle Dachterrasse für den Abendsnack fanden. Um die Hitze etwas erträglicher zu machen wurde links und rechts der Terrasse Wasserdampf zur Kühlung in die Luft geblasen.
Spätabends gab es dann noch einen Absacker-Cocktail auf der Dachterrasse der Q´Ba, auch im gleichen Circle, allerdings ohne Wasserkühlung, einen giftig blau schimmernden ¨Highway to Hell¨...:-) (Der Highway führte dann auch auf direktem Weg ins Hotelzimmer...)
Do
12
Sep
2013
Delhi/Agra part 2: Old Delhi
7.9.
Am Samstag nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg in Richtung Altstadt. Sie ist nicht wirklich weit weg von unserem Hotel, der Weg führt in Richtung Red Fort auf einer guten breiten Strasse, vor dem Red Fort biegen wir dann aber nach links ab und man hat das Gefühl man ist sofort in einer anderen Welt. Der aufgeräumte, saubere, fast schon ordentliche Eindruck weicht instantan dem Chaos, das man auch von den meisten Ecken Bangalores gewöhnt ist, vermutlich ist das Chaos sogar noch größer und das will was heißen.
Größter und auffallenster Unterschied zu Bangalore sind die Heerscharen von Fahrrad-Rikschas die am Strassenrand auf Kunden warten oder sich schon durch das Gewusel aus Menschen und Fahrzeugen schlängeln, jeden Millimeter Freiraum ausnutzend. Ohne eine Fahrt mit der Fahrrad-Rikscha durch die Altstadt hat man Delhi nicht gesehen… Wir beschliessen allerdings das erstmal noch zu verschieben, weil Balu, eh schon schlecht gelaunt (wobei man immer schlecht einschätzen kann ob er wirklich mies drauf ist oder nur seine bärbeissige Fassade zeigt), Angst hat, dass wir das Tagesprogramm nicht schaffen. Er ist eh schon immer "not amused" wenn wir uns nicht an die wohl übliche Minutentaktung beim Sightseeing halten (frei nach dem japanischen Modell, Europa in 4 Tagen, die Welt in 7), sondern uns einfach mehr Zeit nehmen um auch die vorherrschende Atmosphäre aufzunehmen.
Erster Punkt heute: Die Jama Masjid Moschee, eine der größten Moscheen überhaupt, auf jeden Fall die größte Indiens. Der Großmogul Sha Jahan (der mit dem Taj Mahal…) hat die Moschee bauen lassen, allerdings in seiner späten Regierungszeit, also nach dem Taj Mahal, so Mitte des 17. Jahrhunderts. Angeblich passen so 20 – 25 000 Menschen rein, dann, glaube ich, geht's aber schon sehr eng zu…
Beim Reingehen mussten sich Benedict und Sebastian ein paar hübsche Tücher als Röcke um die Leisten schwingen, weil sie in kurzen Hosen unterwegs waren und das geht halt in der Moschee gar nicht und ausserdem mussten natürlich die Schuhe draussen bleiben, aber das ist ja bei jedem indischen Tempel auch so. Laut Eingangstafel sind Frauen nach Sonnenuntergang nicht mehr erlaubt, aber da waren wir ja noch weit davon entfernt…
Rings um den Platz sind schattige Arkaden, die von vielen Menschen zur Siesta genutzt wurden, sonst war eigentlich nicht viel los. Von mehreren Seiten sind Tuchbahnen über den Platz von den Eingängen bis zum Hauptgebäude gelegt, als Fusswege, weil man sich sonst auf dem roten Steinboden vermutlich Blasen wegen der Hitze holen würde. Insgesamt ein sehr beeindruckender Bau und auch die ganze Atmosphäre war sehr friedlich, fast schon beschaulich. Das linke Minarett kann man besteigen was wir auch gemacht haben, 120 Stufen, ziemlich enges Treppenhaus aber was macht man nicht alles wenn's eh schon im Eintritt mit dabei ist..:-). Die Kinder mussten ja wieder mal keinen Eintritt bezahlen (wir Erwachsenen mussten den normalen Preis bezahlen, Inder Rabatt gibt es hier nicht, wahrscheinlich müsste man Moslem sein um billiger reinzukommen, aber konvertieren wollte ich dann doch nicht) aber für die Minarettbesteigung mussten wir für die Jungs dann doch nachzahlen, das verstehe wer will, die ersten zwei Kontrolleure haben uns durchgelassen, aber der finale Eintrittskartenbegutachter direkt am Turmeingang, ein kleiner Giftzwerg, war unerweichlich. Es hat auch keine Quittung gegeben, aber ich gehe mal davon aus, das die Rupees schon im Moschee-Klingelbeutel gelandet sind, schliesslich waren wir ja in einem Gotteshaus und da wird ja nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet, oder? Die Aussicht über Old Delhi und rüber zum Red Fort war dann auch toll.
Das Red Fort war dann auch unser nächster Tagesordnungspunkt. Ich muss zugeben, dass mir bis zu dem Zeitpunkt nicht klar war, dass es sich dabei eigentlich um die Palastanlage handelt, ich dachte bei Fort immer an eine reine Verteidigungsanlage mit vielen Soldaten ala John Wayne und ringsrum reiten johlende Indianer (naja, das war ein anderer Kontinent…). Es ist natürlich auch eine Verteidigungsanlage, mit hohen Mauern umgeben und einem Burggraben in dem früher Krokodile lebten und angeblich auch Tiger, und auch vielen Soldaten (wobei das Red Fort Delhi seit 2003 nicht mehr von der indischen Armee genutzt wird, im Red Fort Agra befinden sich nachwievor 20 000 Soldaten in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereich…aber Agra ist erst im nächsten Blog dran…) aber in der weitläufigen Anlage wohnten halt auch die Herrscher mit ihren Familien und Kurtisanen (auch dazu beim nächsten Mal mehr) und sie hielten hier auch Audienzen für's Volk und für hohen Staatsbesuch ab. Die Briten haben hier leider einen Teil des ursprünglichen Forts abgerissen um Platz und Wohnraum für ihre Soldaten zu schaffen, aber es ist immer noch viel genug vorhanden um einen guten Eindruck von dem mitunter feudalem Leben zu bekommen. Leider haben wir uns keinen Guide genommen weil uns Balu nur eine Stunde Aufenthalt genehmigt hat (die wir trotzdem auf zwei Stunden ausdehnten..;-), sollte es ein nächstes Mal geben, werden wir das anders machen, wir haben in Agra gesehen wieviel Zusatzinfos so ein Guide geben kann. An der Kasse haben wir dann auch gesehen, dass es jeden Abend eine Sound and Light Show im Fort gibt, mehrmals die Woche auch auf Englisch und just auch am Samstag abend, also war unser Plan eh am Abend zurückzukehren.
Also zurück zum Auto und auf zum nächsten Programmpunkt, dem Qutub-Komplex mit dem Qutb Minar, einem Turm mit 72 einhalb Metern Höhe aus dem ausgehenden 12. Jhd. also kurz vor der Zeit der Sultane in Delhi, gebaut als Siegesturm der Moslems über die Hindus. Er ist durchaus beeindruckend, bis vor gut 30 Jahren konnte man ihn wohl auch noch besteigen, aber '81 hat scheinbar ein Stromausfall zu einer Panik geführt bei der 45 Menschen ums Leben kamen, seitdem ist der Turm nicht mehr öffentlich zugänglich. Auf dem Komplex befindet sich hauptsächlich noch die Ruine einer alten Moschee und einige Gräber, auch sehr beeindruckend, aber wie es halt so ist, irgendwann ist mal die Luft raus beim Betrachten alter Steine (zumindest beim Normalo Touri ohne archäologisches Grundstudium). Eins fand ich aber noch erwähnenswert, etwas abseits des Qutub Minars steht der Überrest eines angefangenen Turms. Laut Erklärungstafel wollte der Sultan Ala ud Din Kaljhi in seiner Regentschaft Anfang des 14. Jhds. einen neuen Turm bauen lassen, den Alai Minar, der doppelt so groß hätte werden sollen wie der Qutub Minar. Das Männer-Motto: "Meiner ist aber größer als Deiner" hat also damals schon gegolten und ist nicht erst mit der Mercedes E-Klasse entstanden. Leider hat der Sultan aber 1316 den Weg alles Irdischen eingeschlagen und somit ist der Turm nie über eine Höhe von 24 einhalb Metern rausgekommen, tja, Pech gehabt, aber E-Klasse gab es ja damals, glaube ich, noch nicht…
Nächster und letzter Pflicht-Punkt im Tagesprogramm (war auch gut so, weil die Jungs schon kurz vorm Rebellieren waren und ich weiß nicht was diese ganzen Geschichten von Erbschaftsmorden etc. bei den Kindern insgeheim für Gedanken auslösen können…ich sollte ihnen vorsichtshalber die Taschenmesser wegnehmen..;-) war dann ein Zeitsprung in die Neuzeit, der Lotustempel. Alt Dehli haben wir übrigens schon mit dem Qutb Komplex hinter uns gelassen und jetzt befinden wir uns wieder mitten in Neu Delhi…nur der Vollständigkeit halber…
Vielleicht hat jemand schon mal was von der Bahai Religion gehört. Ich ehrlich gesagt nicht und es ist mir auch zu mühsam mich in die genaue Philosophie die dahinter steckt einzuarbeiten, nichtsdestotrotz war ich sehr beeindruckt. Nicht nur von dem Bau an sich, der eben einer Lotusblüte nachempfunden ist, sondern von der Idee hinter dieser Andachtsstätte, zumindest wie ich sie verstanden habe. Jeder Mensch, egal ob und welchem Glauben er auch angehört, ist eingeladen sich hier einige Minuten innerer Ruhe, Besinnung oder eben Andacht zu gönnen. Letztendlich das was vielleicht ein Christ in der Kirche macht, ein Moslem in der Moschee, oder jemand wie ich in den Bergen. Es gibt keine Symbole irgendeiner Religion und es werden auch keine Rituale abgehalten. Die Menschen jeglicher Coleur gehen rein, nebeneinander , friedlich, dann werden die Türen geschlossen und man ist aufgerufen in sich zu gehen. Nach einigen Minuten gehen die Türen wieder auf und der nächste Schwung kommt. Hört sich ein bisschen nach Massenabfertigung an, ist es vielleicht auch, aber man empfindet das nicht so. Übrig bleibt der Gedanke, dass alle Menschen nebeneinander und miteinander leben können, man muss sich nur tolerieren und die eigenen Bedürfnisse vielleicht mehr nach innen als nach aussen wenden. Wie gesagt, das ist meine Interpretation und das sind meine Empfindungen, aber selbst die Kinder waren beeindruckt und anschliessend friedlicher (nur leider ist das immer nicht nachhaltig..;-).
Es gibt weltweit übrigens sieben dieser Bahai Andachtshäuser, auf sieben verschiedene Ecken der Welt verteilt und keines ist wie das andere. Der Lotustempel ist das jüngste dieser Häuser, 1986 eröffnet. In Europa gibt es auch eins, gar nicht so weit weg, in Frankfurt, sicherlich mal einen Besuch wert, wenn man in der Gegend ist.
So, den Jungs hat es aber anschliessend gereicht, ob friedlich oder nicht, Balu hat sie ins Hotel gebracht und Kathrin und ich haben uns zurück in die Altstadt fahren lassen, es war ja schon am Dunkel werden und die Light and Sound Show im Fort stand ja noch aus. Eine knappe Stunde hatten wir aber noch, also rein in die erste Fahrrad-Rikscha und ab ins Chaos. Vorher habe ich mir aber noch ein Hemd gekauft, da die andauernde Schwüle eigentlich nicht zulies zweimal das gleiche Hemd anzuziehen und ich wusste ja, dass am nächsten Tag mein erstes Rendevouz mit dem Taj Mahal bevorstand…und der erste Eindruck ist ja bekanntlich der Wichtigste…da will man ja auch nicht unbedingt mit einem popligem T-shirt erscheinen…
Zurück zur Fahrrad-Rikscha, zwei dicke Europäer lassen sich von einem kleinem, drahtigem, sich abstrampeltem Inder rumkutschieren. Nicht gerade das Sinnbild des sozialen Gleichheitsgedanken, aber damit ist man hier eh fehl am Platz. Aber durchaus mal wieder eine Gelegenheit sich bewusst zu machen, dass man wirklich auf der Sonnenseite unserer globalen Gesellschaft geboren ist. Und trotzdem machte der Fahrer (und zwei weitere die wir im Laufe des Abends noch bemühten) keinen unglücklichen oder unzufriedenen Eindruck, auch etwas worüber man vielleicht mal nachdenken könnte…
Aber wie bereits erwähnt, Dehli ohne Fahrrad-Rikscha-Erlebnis geht nicht. Nur so kann man mit allen Sinnen diese Stadt erleben und nicht nur mit allen Sinnen, auch mit allen Knochen, da man jedes Schlagloch ungedämpft mitbekommt…
Das Verkehrschaos war so krass, dass wir den Rikscha Fahrer ca. 300 Meter vor dem Fort bezahlt haben und zu Fuss weiter gegangen sind um noch den Hauch einer Chance zu haben pünktlich zu kommen (was uns nicht gelungen ist), wären wir sitzen geblieben hätte diese Strecke sicherlich nochmal mindestens eine halbe Stunde gedauert…
Die Show war auch sehr interessant und man sollte diese Gelegenheit, so sie einem geboten wird, auch wirklich nutzen. Ein Sprecher erzählt die Geschichte Delhis bzw. des Forts bis in die Neuzeit, wo es losgeht kann ich leider nicht sagen, weil wir ja zu spät gekommen sind und als wir schliesslich da waren haben schon die Mogulen regiert. Unterstützt wird das ganze durch Sound- und Musikeinspielungen in Dolby Sourround Qualität und dem Illuminieren der verschiedenen Palastgebäude.
Nach der Show, so gegen halb 10 haben wir dann den zweiten Versuch zum Thema "Mit der Fahrrad-Rikscha durch Old-Delhi" gestartet. Der Verkehr war nicht mehr katastrophal chaotisch, sondern nur noch normal chaotisch, und wenn ich vorher noch keinen Bandscheibenschaden hatte, dann auf jeden Fall nachher, aber es war toll. Um diese Zeit sind auch nicht mehr viele Touristen unterwegs und man sieht das Leben wie es sich wirklich auf der Strasse abspielt, sei es den Friseursalon am Strassenrand, bestehend aus Stuhl und Spiegel pro Platz, in mehrfacher Ausfertigung, der indischen Strassenkombo die sich in irgendeinem Eck zusammengefunden hat oder den Leuten die sich bereits zur Nachtruhe hinlegten, auf einem Stück Pappkarton mitten auf dem (eigentlich eh nicht vorhandenen) Gehsteig, den Kopf gemütlich auf einen Pflasterstein gekuschelt…
Nach der Rundfahrt gab es noch ein paar Datteln und Bananen und bereits am Verkaufsstand wurden wir angesprochen ob wir denn ein Taxi zum Hotel bräuchten, ja, natürlich, Balu haben wir ja schon vor Stunden freigegeben und es war ja langsam Zeit nach Hause zu kommen. Also hat der potenzielle Taxifahrer gesagt, er wäre gleich zurück, war er auch, aber, guess what, mit einer Fahrrad-Rikscha…er hat behauptet es wäre kein Problem und er würde locker in 20 Minuten am Hotel sein…na gut, so sei es… es stellte sich allerdings dann heraus, dass er keine Ahnung hatte wo sich das Hotel "The Hans" eigentlich befindet, er hat uns halt dahin gebracht wo die größte Hoteldichte Neu-Delhis ist. Nachdem wir ihn aufgeklärt hatten, dass wir aber nicht da wohnen hat er doch mal gefragt und hat auch anschliessend nochmal energisch in die Pedale getreten, allerdings nur bis zum Connaught Circle, weiter durfte er angeblich nicht mit der Fahrrad-Rikscha…wahrscheinlich hat er halt keinen Bock mehr gehabt… ca. 2 Kilometer waren noch zu bewältigen, wäre sicherlich auch zu Fuß möglich gewesen, aber angesichts der Uhrzeit und unseres Gesamtzustands haben wir uns doch für eine Motor-Rikscha entschieden. Kurz vor halb 12 und damit noch kurz vor der Last Order an der Hotelbar waren wir schliesslich da. Der Kellner hat aber sofort darauf hingewiesen, dass in 15 Minuten zugesperrt wird und ich habe mich mal wieder weichklopfen lassen und nur ein Bier bestellt. In Anbetracht meiner vollkommenen Ausgetrockenheit, hätte die Viertelstunde wohl locker für zwei, wahrscheinlich sogar drei Bier gereicht…waren eh nur die Kinderportionen (0,33)…:-(.
Jetzt aber ab ins Bett, morgen geht's nach Agra…
Fr
13
Sep
2013
Dehli/Agra part3: Agra
8.9. / 9.9.
Sonntag früh ging es dann gleich los Richtung Agra, natürlich wieder mal später als uns Balu vorgeschlagen hat, aber der kann mir was das betrifft ehrlich gesagt den Buckel runter rutschen. Ca. 4 einhalb Stunden Fahrt liegen vor uns, gut 200 km, also in etwa ein 50er Schnitt… das lässt vermuten, dass die Straße zwischen Delhi und Agra relativ gut ist…(in Indien lernt man Strecken anders einzuschätzen…)
Beim Rausfahren aus Delhi sind wir an einem Gebäude vorbeigefahren mit einer Tafel davor auf der stand "Institute for Disaster Management"…mein erster Gedanke war ob das wohl ein weiterer Ableger unserer Firma ist…;-)
Nach ca. der Hälfte der Strecke kommt man in einen anderen Bundesstaat, Uttar Pradesh. Balu musste hier an der Grenze vermutlich Road Tax o.ä. bezahlen, jedenfalls ein paar Minuten Zwangspause. Da das ja sehr viele der Delhi-Agra Touris machen müssen, hat sich da auch wieder eine Community aus der Kaste der "Nervigen-den-Touristen-auf-den-Keks-geh-Inder" versammelt, eigentlich nicht erwähnenswert, diesesmal gab es aber eine, für mich neue Ausprägung: Inder mit Affen die an der Leine gehalten werden, teilweise kostümiert und mit Lippenstift angemalt. Das ist nicht mehr schrecklich, das ist schon pervers. Ich habe auch kein Foto gemacht, geschweige denn mich auf eine Unterhaltung eingelassen, man muss das ja nicht noch fördern.
Dann geht es weiter, aber nur ein paar Minuten, dann steuert Balu ein Restaurant an, er ist der Meinung es ist jetzt an der Zeit was zu Essen und steigt aus…langsam fängt er wirklich an uns zu ärgern. Ich rufe die Agentur an, aber es ist Sonntag und keiner geht ran. Ich rufe Balu an und mache ihm klar, dass wir weiterfahren wollen…er kommt auch gleich, ihm geht halt jetzt seine Provision durch die Lappen, weil an dem Restaurant auch ein Souvenirshop angeschlossen ist und es kann mir keiner erzählen, dass er zufällig hier gehalten hat.
Kurz vor Agra lassen wir das Grabmal von Akbar links liegen, schade eigentlich, es wäre bestimmt auch sehenswert, aber vielleicht auf dem Rückweg...(was dann aber leider auch nicht geklappt hat). Einchecken im Hotel, ich habe den Namen vergessen, irgendein Palace, jedenfalls war der Blick aus unserem Zimmer auf zahllose verrostete Klimaanlagen und schmutzige Hinterhöfe, aber wir sind ja nicht nach Agra gekommen um die Hotelatmosphäre zu genießen (und ansonsten war das Hotel sehr gut, absolut kein Grund zum Beschweren). Die Kinder wollten nicht mit zum Fort, wir sollten sie erst abholen wenn wir zum Taj Mahal fahren (ihre Zimmer-Aussicht war auch besser..;-)
Also kurz Zahnbürste ausgepackt, das neue Hemd in den Schrank gehängt und los geht's zum Palast (also zum Fort, aber wir wissen ja alle, dass es sich dabei um den Palast handelt…;-)
Dieses Mal haben wir uns einen Guide genommen, einen jungen sehr sympathischen Mann namens Sikander (=Alexander), der sich als richtiger Glücksfall rausstellte, weil er sehr viele Geschichten zu erzählen hatte (gut das erwartet man ja eigentlich) und weil er gut fotografieren konnte (kann Kathrin auch) und alle lohnenswerten Winkel kannte aus denen man gute Fotos macht, sein Papa ist wohl professioneller Fotograf im Taj Mahal und wir haben Sikander dann auch noch für unseren Besuch später im Taj Mahal engagiert (und auch noch für eine Führung über den Markt am nächsten Morgen).
Aber erst mal zu den Geschichten: Es gab am Hofe immer so um die 300 Kurtisanen, junge bildhübsche Mädchen, die im zarten Alter zwischen 16 und 18 Jahren in den königlichen Harem gekommen sind. Der erste Platz nach dem Eingangstor ist im ersten Stock umgeben von einem arkadenartigem Balkon auf dem die Mädchen bei der Ankunft des Königs aufgereiht standen und jede sehnsüchtig darauf gewartet hat, an diesem Tag als des Königs Herzensdame auserwählt zu werden. Etwas weiter war dann der Raum in dem sich der König am Tanze der Damen erfreute, wo Speisen und Getränke gereicht wurden und keine anderen Männer zugelassen waren, nur die Königin, die Kurtisanen und unzählige Eunuchen als Bedienpersonal und Musikanten waren anwesend… wieder etwas weiter war ein offener Pavillion mit Blick auf den Fluß Yamuna, in dem der König mit der Haremsdame seiner Wahl Schach gespielt hat und wenn er sie besiegen konnte hat sie sich ihm anschließend hingegeben (wenn er verloren hat wahrscheinlich auch…). Wahrscheinlich hat Sikander auch noch andere Geschichten erzählt, aber meine Fantasie war zu diesem Zeitpunkt schon so im Overload, dass ich nix anderes mehr aufnehmen konnte…;-)
Nein, natürlich nicht…ich hab' schon fleißig zugehört, aber wenn wir jetzt schon beim Thema sind ist es vielleicht auch an der Zeit die Geschichte vom Großmogul Shah Jahan und seiner Hauptfrau Mumtaz Mahal zu erzählen.
Trotz all der Kurtisanen ist der König immer wieder zu seiner einzig großen Liebe, eigentlich schon seine dritte Frau, zurückgekehrt und sie hat ihm auch ein Kind nach dem anderen geschenkt, bis sie schließlich bei der Niederkunft des 14. Kindes im besten Alter von 38 Jahren gestorben ist. Der König lies sofort über 20 000 der besten Handwerker, Architekten, Bauarbeiter kommen um das schönste Grabmal zu erbauen, das die Welt je gesehen hat. In drei Monaten war das Fundament fertig gestellt, so dass der Leichnam von Mumtaz Mahal beerdigt werden konnte. In den folgenden 22 Jahren entstand dann an einer Biegung des Yamuna der Taj Mahal, der "Kronen-Palast" (Taj=Krone, Mahal=Palast) aus weißem Marmor. Der ursprüngliche Plan war, dass gegenüber auf der anderen Seite des Flusses ein weiteres Grabmal für den König Sha Jahan errichtet werden würde, komplett aus schwarzem Marmor…
Dazu kam es aber nicht, von den 14 Kindern überlebten (aus natürlichen Gründen) nur sechs, vier Jungs und zwei Mädchen.
Der jüngste der Jungs, Aurangzeb ermordete seine drei Brüder aber später als der Vater schwächer wurde und riss die Macht an sich, den Vater sperrte er in einen Winkel des Agra Fort von dem aus er, aufopfernd gepflegt von seiner ältesten Tochter Jahanara, die letzten Lebensjahre damit verbrachte auf das Grabmal seiner großen Liebe hinunterzublicken… "…and there it is, the Taj Mahal, on the bank of the Yamuna river, like a teardrop frozen on the cheek of time…", eine gefrorene Träne auf der Wange der Zeit… ist das nicht schön? so wurde es am Abend bei der hiesigen Light and Sound Show beschrieben…
Und tatsächlich hat man vom Fort aus einen sehr schönen Blick auf das Grabmal, der erste Live-Blick (und ich war natürlich doch nur im T-Shirt…:-(
Bevor wir uns aber auf den Weg machten haben wir uns noch eine Privatführung durchs Bad der Königin gegönnt, der Bereich ist eigentlich abgesperrt, aber Geld öffnet auch hier die Türen. Also, das Personal im Fort hat sich natürlich hier eine zusätzliche Einnahmequelle verschafft, aber was soll's 500 Extra Rupees können wir uns leisten und das war es auch wert. Das Badezimmer ist mit unzähligen kleinen Spiegeln ausgestattet und hat keine Fenster durch die natürliches Licht eindringt. Unser Badezimmer Guide hat zwei Kerzen angezündet und es ist wirklich erstaunlich wie die Lichteffekte waren, selbst bei nur zwei Kerzen. Er hat gesagt, man müsse sich vorstellen, dass rings um die überdimensionierte Badewanne in der die Königin (und dazu vielleicht auch manchmal der König) im duftendem Rosenwasser saß, die nackten Haremsdamen mit vielen Kerzen und auch Musikinstrumenten für die entsprechende Atmosphäre sorgten…sollte sich zu dem Zeitpunkt meine oben erwähnte Fantasie schon beruhigt gehabt haben, hat sie sich hier zu neuen Höchstleistungen aufgerafft…;-)
Jetzt war es aber wirklich an der Zeit zum Taj Mahal zu fahren, wie erwähnt hat sich unser Führer angeboten mit zu fahren und wir haben das Angebot auch gerne angenommen. Erst aber ins Hotel, die Kinder holen und natürlich das neue Hemd anziehen. Sikander hat, als ich gesagt habe ich möchte mich umziehen, zwar sofort gewitzelt, dass ich wohl die Kurtisanen erwarte, aber wir wissen ja, dass ich das Hemd zu Ehren des Taj Mahal gekauft habe…leider um ca. zwei Nummern zu klein, wie sich jetzt rausstellte, ich konnte es leider in Delhi auf der Straße nicht probieren (oder wollte zumindest nicht) und so musste ich halt doch ein anderes, inzwischen wenigstens halbwegs ausgelüftetes, Hemd tragen. Das geht ja schon gut los…
Besuchszeiten sind übrigens von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, täglich außer Freitag, da wird nämlich, wie wir später erfahren haben, immer fleißig restauriert. Die schönsten Momente sind: sun rise, sun set and full moon. Sonnenuntergang stand ja bevor, zum Sonnenaufgang wollten wir am nächsten Morgen hin und Vollmond war leider nicht in Sicht, 2 Tage vor Vollmond bis 2 Tage nach Vollmond gibt es extra Nachtöffnungszeiten.
Wir haben den Osteingang gewählt, weil da angeblich am wenigsten los ist, es war auch nicht viel los, und erstmal kommt man ja sowieso auf einen Platz von dem man dann nur noch durch das große Haupttor zum eigentlichen Grabmal kommt. Nichtsdestotrotz hat es schon rausgespitzt und die Aufregung steigt langsam.
Dann geht man endlich durch das Tor und es steht da…wie verhält man sich jetzt wenn man seiner Jugendliebe das erste Mal gegenüber steht? Man ist cool und macht erstmal Fotos (naja, bei einer Frau würde man das wahrscheinlich nicht machen). Sikander hat die Rolle des Profi-Paparazzi übernommen und zwar sehr gut. Sollte man die Gelegenheit nicht haben, stehen Heerscharen von Fotografen bereit die gegen einen Obolus die gewünschten Schnappschüsse machen. Also, jeder alleine, Kathrin und ich zusammen, nur die Kinder, alle zusammen, das gleiche von verschiedenen Blickwinkeln aus, immer darauf achten, dass die Anzahl der "Rest-Menschen" relativ klein ist, ein richtiges Fotoshooting (ich wäre jetzt bereit mich bei der nächsten Heidi Klum Staffel anzumelden, aber nimmt die überhaupt Jungs?). Es gibt eine Bank auf der Lady Diana ein Fotoshooting hatte, zwei Monate bevor sie diese unglückselige und fatale Bekanntschaft mit einem Pariser Unterführungspfeiler machte, diese Bank heißt jetzt auch ganz offiziell "Lady Di's Chair". Da musste natürlich auch noch ein Satz Fotos entstehen…aber langsam war es dann auch gut…und ich konnte mich das erste Mal wirklich ganz dem Bauwerk widmen, einfach mal hinsetzen und wirken lassen…und was soll ich sagen, es ist perfekt, die Anordnung, die Dimensionen, die Ausführung, das Material, die Plazierung, einfach alles, es ist perfekt, ich habe noch nie etwas ähnlich Schönes (das nicht atmet und mit weiblichen Attributen ausgestattet ist) gesehen.
Natürlich schaut man sich dann die Details an, die Minarette, die nach außen geneigt sind um bei einem Erdbeben nicht auf das Grabmal zu stürzen, das Gästehaus rechts vom Taj Mahal, die Moschee links davon, die zwei Gräber im Inneren. Sha Jahan wurde schließlich dann auch hier begraben an der Seite seiner Frau, und zwar direkt an ihrer Seite etwa 30 Fuß oder Meter, das weiß ich nicht mehr, unterhalb der ge-fakten zwei Gräber, eine weitere Nuance der romantischen Geschichte… die zwei Gräber wurden angeblich errichtet, damit man die Moslems nicht vor den Kopf stößt, die mögen das anscheinend nicht, wenn man gemeinsam begraben liegt. All das ist natürlich sehens- und wissenswert, aber der Zauber liegt sicherlich in der Gesamtheit, mehr kann man hier nicht beschreiben, ich war auf jeden Fall sehr glücklich nicht enttäuscht worden zu sein.
Anschließend sind wir in ein Restaurant, das uns unser Guide empfohlen hat, gegangen, dort trafen wir dann auf eine ganze Touri-Gruppe aus Deutschland, allerdings im Nebenzimmer und vermutlich war unser Guide hier auch ein wenig über Provision beteiligt, aber was soll's, es war gut. Nur hat es halt wieder alles zu lange gedauert, das heißt auch hier haben wir den Anfang der Light and Sound Show im Fort verpasst…aber auch hier der gleiche Eindruck, sollte jemand da sein, es ist wert dahin zu gehen und sei es nur deswegen um so Ausdrücke wie den der "Gefrorenen Träne" zu hören…
Den täglichen Absacker gab es diesesmal in der Tequilla Bar des Hotels, allerdings haben wir darauf geachtet, dass es nicht zu spät wird, wir hatten ja vor am nächsten Morgen schon vor dem Frühstück den zweiten und letzten Besuch zu machen, allerdings ohne Kinder, die haben zwar lange überlegt, aber letztendlich hat der Gedanke auf ein Weckerklingeln um halb sechs dann doch zu sehr abgeschreckt…
Wir sind auch tatsächlich um sechs Uhr früh im Auto gesessen und um 6:15 sind wir durch das Tor marschiert, aber eigentlich waren wir schon zu spät, die echten Early Birds kamen uns schon wieder entgegen, aber es macht nichts, das Licht war sehr schön, ganz anders als am Vorabend und während Kathrin natürlich fotografiert hat wie ein Weltmeister bin ich meistens nur rumgesessen und barfuß rumgelaufen und Stimmung genossen. Affen waren auch da, auf dem Geländer zum Fluss rüber, komisch, ich hätte alles Mögliche hier erwartet, aber auf Affen war ich nicht eingestellt, aber klar, diese Viecher gibt es hier ja überall.
Um neun hieß es dann Abschied nehmen, was aber nicht so schwer gefallen ist, schließlich wartete im Hotel Frühstück auf uns...
Nach dem Auschecken haben wir uns dann auf unseren Wunsch hin nochmal mit Sikander getroffen, wir wollten noch über den Markt schlendern und er hat angeboten uns zu begleiten. Erschienen ist er in einem, ich sag mal traditionellem indischen Werktagsgewand, weiße weite Hose und ein sehr langes weißes Hemd darüber, das mussten wir Jungs natürlich auch haben und so ist schon viel Zeit auf dem Markt mit Klamotten anprobieren draufgegangen. Zurück zu Balu sind wir dann mit der Fahrrad Rikscha, damit die Jungs auch mal in den Genuss kamen, Sikander hat den Preis fixiert und da hat man mal wieder gesehen was es für einen Unterschied macht ob ein Inder einen Preis aushandelt oder ein Bleichgesicht...
Apropos Handeln, auf dem Parkplatz direkt vor dem Red Fort Agra ist natürlich auch die ganze fliegende Händler-Brut. Einer wollte mir permanent eine Peitsche aus angeblich Kamelleder andrehen (hätte ja manchmal auch seinen Reiz), aber ich bin halt partout nicht darauf angesprungen, er sagte: ¨Only fifty¨, ich habe ihn daraufhin angeschaut und ungläubig gefragt: ¨50 Rupees?¨ Darauf er ¨No, Sir 50 Dollars¨...aha, ich bin weitergegangen, er mir nach, mit jedem Schritt ein neues Angebot, kurz bevor ich ihm die Autotüre vor der Nase zugeschlagen habe war er bei 200 Rupees, also ca. 2,40 Euro... da sieht man mal wie aberwitzig die Anfangspreise sind...
Die Rückreise verlief unspektakulär, leider hatten wir halt keine Zeit mehr für einen Abstecher. Balu hat am Flughafen in Delhi sein Trinkgeld erhalten, selbst wenn er es eigentlich nicht verdient hat, aber irgendwie schließt man ja nach vier gemeinsamen Tagen fast jeden Menschen in sein Herz...und vielleicht besucht er damit ja einen Englischkurs...
Bangalore hat uns mit Shekar und Regen empfangen und man stellt sich halt wirklich die Frage ob es immer gut ist den letzten Flieger zu nehmen, wenn man am nächsten Tag früh raus muss... aber wie oft im Leben bekommt man schon die Gelegenheit seine Jugendliebe zu treffen..;-)
Nachtrag: Ich war gerade dabei ein paar Fotos fuer die Galerie rauszusuchen, ich dachte erst, es werden wohl unendlich viele Taj Mahal Bilder werden... es sind fast keine geworden, warum? Weil die Bilder nicht annähernd das wiedergeben können was man empfindet wenn man davor steht, man kann es vermutlich mit (Foto-)Bildern nicht einfangen, vielleicht mit den richtigen Worten, mit Vergleichen wie der gefrorenen Träne auf der Wange der Zeit... und man kann nur hoffen, dass die Erinnerungen nicht allzu schnell verblassen...
Mo
16
Sep
2013
GoKart und Onam
Jetzt muss ich erstmal gestehen, dass ich heute nicht arbeiten war, weil heute mal wieder Feiertag war... wie gesagt, es gibt Feiertage, die werden halt nicht in ganz Indien gefeiert, und die Firma bestimmt ob arbeitsfrei ist. Viele dieser Feiertage sind halt auch noch in der zweiten Jahreshälfte und so gesehen habe ich mit 1. Juli einen guten Startzeitpunkt gewählt...:-)
Heute ist Onam, der größte Feiertag im benachbartem Kerala, so eine Art Erntedankfest.
Hier in Karnataka spielt der keine so große Rolle, hier sind immer noch die Nachfeiern der Ganesh Chaturthi, sozusagen des Geburtstags von Lord Ganesha. Ganz habe ich dieses Ritual ehrlich gesagt auch noch nicht kapiert, die Ganesha Figuren, die auf verschiedenen Altären aufgestellt sind werden nach einer bestimmten Zeit feierlich im Wasser versenkt, das kann ein See sein, oder auch wie in Mumbai (dort wird das Fest am Größten gefeiert) im Meer. Wir waren ja zum eigentlichen Feiertag letzten Sonntag/Montag in Delhi und da kennt man das Fest zwar, aber es wird nicht wirklich gefeiert. Durch das Übergeben Ganeshas ans Wasser, kehrt er symbolisch sozusagen nach Hause zurueck. Ein paar Tage später holt man die versenkten Ganeshas dann auch wieder raus, aber ich glaube ganz ohne Zeremonie, das ist wohl eher, damit die Seen halt nicht irgendwann zugeschüttet sind... aber wie gesagt, alles ohne Gewähr, ich habe mir heute ein Buch über Hindu Mythologie gekauft, vielleicht verstehe ich ja anschließend mehr...
Die Jungs hatten heute natürlich Schule und deswegen war auch Aufstehen angesagt. Heute habe ich aber den Morgen sehr effektiv genutzt, ich habe mich mit Philip, einem französischem Nachbarn, für halb sieben zum Squash verabredet. Normalerweise dauert hier ein Reservierungsslot immer 45 Minuten, aber ich habe nach einer guten halben Stunde schlapp gemacht, Philip spielt erstens viel besser und läuft deswegen viel weniger und zweitens hat er gesagt, ich brauche unbedingt andere Sportschuhe, weil ich mit meinen viel zu sehr rutsche (zufaellig arbeitet er bei Decathlon einem französischem Sportartikelunternehmen..;-), deswegen war es nicht wirklich verwunderlich. Auf die Frage hin, ob er (Philip) denn trotzdem nochmal mit mir spielen würde, meinte er: ¨Klar, von ihm aus jeden Morgen...¨ naja, übertreiben wollen wir mal nicht...ich peile jetzt mal locker für kommenden Mittwoch das nächste Mal an, vorausgesetzt meine Muskelschmerzen sind bis dahin abgeklungen... aber auch dafür hat Philip einen Tipp: ¨Practice, practice, practice...¨...Jaja, ist schon gut, vive la France...dir werd´ ich´s schon noch zeigen...;-)
Anschließend habe ich Black Beauty zum Motorrad-Veterinär gebracht, Benedict wollte am Samstag früh seine ersten ¨Reitversuche¨ machen und ist aber leider abgeworfen worden...naja, Gott sei Dank fehlt ihm nichts, aber das Motorrad hat halt doch einige Schrammen abbekommen und laut Mechaniker muss das Vorderrad nach Chennai zum Auswuchten geschickt werden...Ende der Woche kriege ich es angeblich wieder...
Anschließend sind Kathrin und ich in die Stadt um für mein Maharadscha Outfit aus Delhi noch die passende Kopfbedeckung zu besorgen... diese Indien Faschingsparty ist doch erst kommenden Samstag, da habe ich mich um eine Woche vertan...
Mittagessen gab es dann im 13. Stock des Branton-Towers, auch das eine Location die man durchaus in Bangalore mal aufsuchen kann. Heute gab es anlässlich des Onam Festes ein Buffet mit überwiegend Spezialitäten aus Kerala. Diesesmal habe ich dann wenigstens bei den Vorspeisen ein bisschen aufgepasst was was ist:
-Paal Soup: vegetarische Suppe aus Kokosmilch und normaler Milch
-Meen Porichathu: Fischfiletstückchen in Bananenblättern (dazu gleich noch mehr...)
-Suriyani Mutton Cutlet: kleine Lamm-Fleisch-Pflanzerl
-Vazhakai Roast: geröstete Bananenstückchen
-Fee Shu Cauliflower: überbackene Blumenkohlstückchen (das ist allerdings keine Kerala Spezialität)
Alles musste natürlich probiert sein und deswegen ist die Hauptspeise auch ziemlich ausgefallen, erst der Nachtisch hat mich dann natürlich wieder gelockt, und da gab es was ganz Leckeres, nämlich ¨Pineapple upside down¨, eine Art Ananas Auflauf mit Vanille Sauce... dazu noch ¨Tender Coconut Souffle¨ (ein Kokosnuss-Toertchen) und ein Kügelchen Eis... so wird das nix mit der deutschen Squash-Dominanz..;-(
Aber was ich noch zum Meen Porichathu sagen wollte: Kathrin ißt ja keinen Fisch, also habe ich all diese herrlich eingewickelten, scharf gewürzten, einfach unglaublich leckeren Fisch/Bananenblatt Kreationen selbst gegessen. Rechtzeitig bevor ich mich an das letzte Teilchen machen konnte ist der Kellner gekommen und hat mir den Tipp gegeben, dass man die Bananenblätter eigentlich nicht mit ißt... Gott wie peinlich, das ist ungefähr so wie wenn man sich bei Domino Pizza etwas bestellt und dann den Pappkarton mit verschlingt...naja, lecker war es trotzdem und beim nächsten Mal weiß ich es...
Auf einer Schärfeskala zwischen 1 (fad) und 10 (ziemlich scharf) waren all die Vorspeisen übrigens im Bereich zwischen 12 und 15...:-). Bei den Bananen hat der Kellner schon im Vorfeld angeboten, wenn es zu scharf wäre, könnte er es zurückgeben und etwas ¨entschärfen¨ lassen, aber eigentlich war es gar nicht so schlimm... man merkt halt doch inzwischen die Monate Südindien-Küche Erfahrung...
Am Samstag hat Sylvie, eine von Kathrins neuen Palm Meadows Bekanntschaften, Französin und auch Mama eines Stonehill Schülers (oder sogar zwei?), angerufen und gesagt sie und ihr Sohn Damien würden zum GoKart Fahren gehen wollen und ob wir nicht Lust hätten mit zugehen... natürlich hatten wir, und es hat auch tierisch Spaß gemacht... man kauft ein Ticket für sechs Runden auf dem Parcours und anschließend kann man sich seine Rundenzeiten anschauen. Natürlich war nach den ersten sechs Runden klar, dass wir noch 2 mal sechs Runden fahren wollten und ich habe entsprechende Karten gekauft. Kathrin wäre bereit gewesen ein Ticket an Shekar abzugeben, aber der wollte nicht und hat sich lieber mit dem Fotografieren vergnügt... interessant wäre es ja schon mal gewesen gegen den eigenen Fahrer anzutreten, aber vielleicht hat er Angst gehabt, dass wir das Vertrauen in ihn verlieren, wenn er seinen Boliden in einen Reifenstapel setzt...
Gestern war dann endlich wieder einmal Jagriti angesagt, ich kriege ja schon Theater Entzug...¨Dead Man´s Cell Phone¨, ein durchaus witziges Stück über eine Frau, die vollkommen genervt von unentwegten Klingeln eines Handys schließlich selbst rangeht und dabei feststellt, dass der Besitzer und einzig anderer Bistro Gast gerade verstorben ist... kein Weltklassiker, aber nette Abendunterhaltung...
Achso, ich wollte noch zwei Dinge erzählen, die mir in dieser Woche in der Zeitung aufgefallen sind:
Erstens haben die Inder innerhalb kürzester Zeit einen Satelliten mit angeblich ausschließlich indischer Technologie für eine Marsmission zusammengeschraubt. Er soll Ende September von der ISRO (Indian Space Research Organisation) in Bangalore zum Weltraumbahnhof auf der Insel Sriharikota, etwas nördlich von Chennai, gebracht werden, das Launch Window ist wohl zwischen Ende Oktober und Mitte November. Es dürften in etwa 350-400 km bis dahin sein, ich habe schon ueberlegt ob das nicht mal ein lohnenswertes Motorradziel wäre. Jedenfalls bin ich gespannt, ob sie es wirklich schaffen dieses Projekt durchzuziehen, Satelliten haben die Inder ja schon zuhauf ins All befördert, aber noch nie eine derartige Mission versucht. Irgendwie schafft es mein Gehirn auch noch nicht, diese Ankündigung und das Bild, das man jeden Tag auf den Straßen zu Gesicht bekommt als zwei Facetten eines einzigen Landes zu akzeptieren, aber es heißt ja nicht umsonst ¨Incredible India¨...
Der zweite Artikel der mir aufgefallen ist, handelte davon, dass die Stadt Goslar Herrn Hitler die Ehrenbürgerschaft aberkennen will. Ist schon irgendwie lustig so etwas 6000 km weit entfernt in der Zeitung zu lesen und ehrlich gesagt hätte ich es gar nicht für möglich gehalten, dass es solche Ehrenbürgerschaften heutzutage überhaupt noch gibt. Es war eigentlich auch nur eine kleine Randnotiz, relativ neutral. Das Thema Hitler ist hier eh umstritten, viele halten ihn für gar nicht so schlecht, weil er halt gegen die verhassten Engländer gekämpft hat.
Und das Bild der Deutschen hier in Indien ist übrigens ein durchweg positives, fleißig, zielgerichtet, erfolgreich usw... hoffen wir mal, dass wir diese Stellung noch ein paar Jahrzehnte lang behalten können...
Fr
20
Sep
2013
Mindestlohn
Ich war gerade noch im Schnapsladen um ein paar Flaschen Wein zu kaufen, damit erstens der Vorrat mal wieder aufgefüllt ist und wir zweitens auch das Ende der anstrengenden Woche gebührend einleiten können. Man kann Alkohol ja nur in bestimmten Geschäften und an Straßen-Ausschänken kaufen, die es allerdings zuhauf gibt, aber da treibt sich halt auch immer entsprechendes Gesindel rum. Der Schnapsladen meines Vertrauens, bei dem ich auch immer das Bier bestelle, ist relativ nah, in der Forum Value Mall, seit kurzem habe ich aber eine Alternative, warum, dazu später, jedenfalls ist der etwas weiter weg, ca. 5km zu fahren.
Eine Ampel liegt dazwischen, man schätzt die Zeit, die man für eine bestimmte Strecke braucht, ja immer ab, indem man die Tageszeit berücksichtigt, die Anzahl der Ampeln und das Fahrzeug. Pro Ampel rechnet man ca. 10 Minuten, der Verkehr war jetzt abends um neun nicht mehr ganz so schlimm wie zu Rush-Hour Zeiten (morgens ca. 8-10, abends ca. 5-8) aber immer noch ziemlich heftig, d.h. für die 5km mit dem Auto muss man ca. eine halbe Stunde rechnen, mit dem Moped war ich natürlich schneller. Die Straße muss man sich so vorstellen, dass es Unmengen an Schlaglöchern gibt und pro Richtung 2 Fahrspuren, die Richtungen sind durch einen befestigten Mittelstreifen getrennt, den man auch immer als ¨Ausrast¨ braucht beim Überqueren der Straße und der alle paar hundert Meter unterbrochen ist, um einen U-Turn machen zu können (an diesen Stellen geht es immer am Schlimmsten zur Sache). Die beiden Fahrspuren sind auch nur in der Theorie vorhanden, weil man halt da fährt wo Platz ist, die Fahrbahnbemalung ist eh nur selten vorhanden und als Zweirad Fahrer hat man dann auch noch manchmal die
Möglichkeit auf den Gehsteig auszuweichen, da muss man aber genau wissen wo der auch soweit befahrbar ist, bis man wieder eine Gelegenheit findet um auf die Straße runterzukommen, das ist also nur was für den fortgeschrittenen Verkehrsteilnehmer (mindestens Green Belt Niveau...). Wenn man jetzt von A nach B will, B zwar nah ist, aber leider in der falschen Richtungen liegt, dann müsste man ja theoretisch bis zur nächsten U-Turn Möglichkeit fahren, umdrehen, an B vorbei, wiederum bis zum nächsten U-Turn, wieder drehen und dann ist man schließlich da. Wenn man sich jetzt verkehrstechnisch schon auf Black Belt Niveau zu befinden glaubt, dann kann man natürlich auch die Direttissima nehmen und die Strecke als Geisterfahrer zurücklegen. Bei meiner (Hin-)Fahrt zum Getränkemarkt habe ich fünf Geisterfahrer gezählt... Ich muss zugeben, ich habe es auch schon mal gemacht als wir etwas spät zum deutschen Filmfest dran waren, es geht schon, es wird allerdings schon auch von einer gewissen Anspannung begleitet, und da war´s heller Nachmittag, jetzt war es ja schon stockfinstere Nacht...
Letztens habe ich mich auf der Heimfahrt vom Office mit Shekar über Strafen im Straßenverkehr unterhalten, Anlass war, dass er erzählt hat, dass hier auch ab und zu geblitzt wird (was ich gar nicht glauben konnte, aber es stimmt...). Auf die Frage hin wie denn das dann praktisch aussieht, hat er erklärt, dass die Verkehrsteilnehmer sofort angehalten werden und auch sofort bezahlen müssen. Jetzt hat mich natürlich interessiert was das denn so kostet. Antwort: Prinzipiell kommt es auf die Geschwindigkeit an und auf die Einsicht, bzw. Zahlungsbereitschaft. Im Klartext: Der Normaltarif sind 100 Rupees, wenn man aber meckert und/oder viel zu schnell unterwegs war, dann kann es auch bis auf 300 Rupees raufgehen (100 Rupees = 1,20 Euro). Ich habe ihm dann offenbart, dass es in Deutschland ein bisschen teurer ist... dann kam als nächstes das Thema Alkohol und Straßenverkehr zur Sprache. Ich habe ihm erklärt, dass das in Deutschland ziemlich üble Folgen hat, abhängig ist von der Menge Alkohol im Blut und eigentlich immer mit einem Fahrverbot begleitet ist. Indien: Strafe 1500 Rupees, egal wie besoffen man ist, allerdings wenn man nicht mehr fahr-tauglich ist, dann wird das Fahrzeug weggenommen und man muss es am nächsten Tag wieder holen.
So, nachdem wir also beim Alkohol angekommen waren, hat er nach den Preisen in Deutschland gefragt und da musste ich zugeben, dass der Alkohol in Deutschland ziemlich billig ist. Oder wahrscheinlich ist es andersherum besser ausgedrückt, der Alkohol ist hier in Indien relativ teuer, das Bier kostet in etwa das Gleiche wie in Deutschland, vielleicht ist es sogar etwas teurer (ich rede von Kingfisher etc. und nicht von Importbier), der Wein ist hier durchweg teurer (wenn man, wie ich, den meisten Wein beim Aldi einkauft und den entsprechenden Preis referenziert). Daraufhin hat er mir einen Schnapsladen gezeigt in dem es auch billigeren Wein zu kaufen gibt und tatsächlich... selbst das Bier ist dort etwas billiger. Er hat mir auch gesagt wieso die das billiger anbieten können, ich muss zugeben, ich weiß es aber nicht mehr, ich glaube es war so eine Art Outlet-Preis-Modell, aber ich werde ihn einfach nochmal fragen, wobei es ja eigentlich egal ist WARUM, wichtig ist ja nur DASS es so ist...;-)
Und trotzdem ist es natürlich für den Durchschnittsverdiener hier ziemlich teuer, Arbeitsleistung ist in der Regel billig, das heisst die Löhne entsprechend gering. Ich habe das Motorrad am Mittwoch abend aus der Reparatur abgeholt, Felge auswuchten (Speichenfelge!), ein paar Kleinigkeiten austauschen, ein bisschen was neu ausrichten, ein paar Kratzer rauspolieren und überhaupt Black Beauty wieder komplett putzen und polieren (sieht wieder aus wie neu...)...Gesamtrechnung: kleiner 15 Euro...
Und so kommt es auch, dass wir inzwischen neben Shekar, dem Fahrer und Manager für Alles (der allerdings von der Firma bezahlt wird) noch eine Köchin, inzwischen zwei Putzmaids und den Gärtner beschäftigen. Häh? Ihr habt doch gar keinen Garten? Das ist richtig, der Garten ist nicht wirklich nennenswert, aber ein bisschen was ist ja doch da und die Blätter von den Bäumen müssen ja auch weggeräumt werden. Außerdem kommt man da gar nicht aus, das ist ein Gemeinschaftsgärtner und den bezahlt man halt anteilig. Und außer Shekar sind auch alle anderen nur Teilzeit beschäftigt, die Köchin kommt z.B. zweimal die Woche und kocht indisch und Kathrin kann ihr ein bisschen auf die Finger schauen...
Ehrlich gesagt weiß ich gerade gar nicht exakt was die momentan alle verdienen, aber von dem Leiharbeiter Mindestlohn, der diese Woche in Deutschland neu festgesetzt wurde, können alle nur träumen...
Di
24
Sep
2013
Zwischenbericht
So jetzt ist es soweit, ich finde (fast) keine Zeit mehr zum Blog-Schreiben...
Aber einen kurzen Zwischenbericht gibt es dann doch was in den letzten Tagen so gelaufen ist.
Am Samstag habe ich mit Basti eine Einkaufstour mit dem Motorrad gemacht. Erst zum Decathlon, weil ich unbedingt vernünftige Squash-Schuhe brauchte, ich will ja gerüstet sein wenn Phillippe von seiner Dienstreise zurückkommt (beim letzten Match, ich kann es leider nicht verleugnen, hat Frankreich eindeutig dominiert), und dann in die Phoenix Mall, eine der größeren Einkaufsmeilen, hauptsächlich weil Basti gerade am Investigieren ist welches neue Handy er sich denn kaufen will. Noch schwankt er, aber ich glaube es kristallisiert sich langsam das neue Galaxy Mega raus. Gibt es das überhaupt in Deutschland? Dagegen wirkt selbst das Note wie ein Kinderspielzeug, mit einem 6,3´´ Display geht es schon locker als Mini-Tablet durch. Er ist jetzt wahrscheinlich hauptsächlich noch am Überlegen, ob es cool ist oder doof ausschaut, wenn man sich ein Brotzeitbrett beim Telefonieren ans Ohr hält...:-)
Am Abend war dann die India Night vom Overseas Womens Club im Marriott Hotel. Die reinste Faschingsveranstaltung, hunderte von Bleichgesichtern im indischen Trachten-Outfit (das war aber als Dress Code auf der Eintrittskarte). Ich mache mich ab sofort nie wieder über lederbehoste Japaner auf dem Oktoberfest lustig. Aber letztendlich war es doch ganz nett, leckeres Essen, teilweise ganz passable Musik (auch wenn der DJ abrupt zwischen Rock, House und indischem Gedudel gewechselt hat) und Smalltalk für ein ganzes Jahr...
Am Sonntag ist dann der Clan der Regensburger Studenten von ihrem Abschlussurlaub zurückgekommen und hat sich bei uns erstmal Gepäck-mässig neu sortiert (das Meiste hatten sie ja bei uns untergestellt) bevor wir dann alle gemeinsam noch super zum Essen gegangen sind. Um Mitternacht sind sie dann (nachdem das Bier alle war..;-) in Richtung Flughafen zum Heimflug aufgebrochen, aber ich habe inzwischen schon gehört, dass sie gut zuhause angekommen sind...
Naja und die restliche Zeit, die nicht mit lästigem Arbeiten verbunden war, war ich am Urlaub planen. Ich gebe zu, es gibt unangenehmere Aufgaben...:-). Die Jungs haben ja jetzt ein paarmal ein paar Tage am Stück frei und die wollen schließlich gefüllt werden, wenn man schon mal so weit weg von zuhause ist muss man das auch ausnutzen.
Im Oktober gibt es eine Woche Dussehra-Ferien, da werden wir jetzt eine Kerala Rundreise machen, im November sind 5 Tage am Stück frei (Diwali, das Lichterfest), da wollen wir in Goa in einer Bambus-Hütte am Strand versuchen Hippie-Feeling aufkommen zu lassen und dann kommen auch bald schon die Weihnachtsferien. Nach langem hin und her überlegen und vor allem Preise vergleichen (Weihnachten ist halt überall und immer schweineteuer), werden wir jetzt wohl Malaysia unsicher machen... (Bitte keine Fragen nach meinem Kreditkarten Limit...:-), sollte also jemand einen Tipp haben was ein ¨Must-See¨ in Kuala Lumpur oder an der Westküste Malaysias ist, kann er/sie das gerne weiterreichen...
Ansonsten naht jetzt tatsächlich meine indische Arbeitswoche in Deutschland, Anfang Oktober, aber so richtig glauben werde ich es erst wenn ich im wirklich Flieger sitze, indische Termine und Abmachungen sind ungefähr genauso verlässlich wie der Fahrplan der Deutschen Bahn nach einem Hagel-Gewitter (oder auch sonst ;-) …
Und zum Schluss noch ein kleiner Neidmacher für alle die gerade am Überprüfen sind, ob die Heizung für den kommenden Winter gerüstet ist: Langsam entwickelt sich (endlich) wieder die Sonnenbrille als eines der wichtigsten Accessoires wenn man tagsüber das Haus verlässt...:-)
Sa
28
Sep
2013
100 Tage...
...sind es noch nicht ganz, aber genau vor drei Monaten bin ich nach Indien geflogen. Ist es nicht üblich nach so einer Zeit das erste Resümee zu ziehen? Die entscheidenden Fragen sind vermutlich, gefällt es mir und würde ich es nochmal machen. Möchte ich nach Hause oder freue ich mich mehr auf die verbleibende Zeit. Ist es so wie ich es mir vorgestellt habe, usw...
Die einzige Frage, die ich eindeutig mit ja beantworten kann ist: Ja, ich würde es wieder (das erste Mal) machen. Das erste Mal deswegen, weil es aufregend ist, weil Alles neu ist, weil man sich jeden Tag auf´s Neue auf die Probe stellen muss, weil man das Leben wieder viel intensiver wahrnimmt. Ich würde kein Leben als Expatriate-Nomade führen wollen, wie es einige ja tun, dazu habe ich eine andere Vorstellung von Heimat (was immer das bedeutet), ich würde mich vermutlich auch nicht weigern mal woanders hinzugehen, wenn das Gesamtpaket stimmt, aber es wird halt kein erstes Mal sein. Und wenn man sein erstes Mal mit Indien erlebt, ist es sicherlich etwas Besonderes. Es gibt hier ein Buch, das gerade sehr gerne an Geschäftsbesuch aus Deutschland verschenkt wird, mit dem Titel: ¨Conquering the Chaos, Win in India, Win Everywhere¨, geschrieben vom ehemaligen Boss von Microsoft India. Ich habe es nicht gelesen, ich habe noch nicht mal reingeblättert, aber der Titel könnte passender nicht sein. Indien ist wirklich anders, es gibt sicherlich exotischere Völker, aber denen sieht man das auch an. Indien kommt ja manchmal durchaus mit einem westlichem Gewand daher, aber was drinsteckt ist halt indisch. Ich kann es leider nicht konkreter beschreiben.
Und gefallen tut es mir auch, meistens. Ich muss hier leider betonen, dass der Blog ja bewusst ausschließlich meine persönlichen Empfindungen, Erfahrungen und Erlebnisse im privatem Umfeld umfassen soll. Über den eigentlichen Grund warum ich hier bin, schreibe ich nichts, nur ganz kurz soviel: Das ist bis jetzt mit Abstand das komischste Projekt an dem ich jemals gearbeitet habe, und das ist noch die positivste Formulierung die mir einfällt.
Gestern waren wir auf einer Geburtstagsfeier eingeladen und ein anderer Gast hat irgendwann mal gesagt: ¨Die Empfindungen, ´Ich liebe Indien´ und ´Ich hasse Indien´ wechseln alle fünf Minuten¨. So extrem ist es natürlich nicht, aber der Kerngedanke ist schon richtig, wobei ich die positiven Erfahrungen schon bei weitem in der Mehrheit sehe, vor Allem wenn es um die Menschen geht. Hassen trifft bei mir eher mal im Bezug auf die Infrastruktur und auf die Umwelt zu. Vor allem Bangalore ist überwiegend ein Drecksloch, man muss das leider so sagen, ein riesengroßer chaotischer Müllhaufen, den man allerdings mit Unmengen Perlen übersäht hat. Wir haben das Glück in einer dieser Perlen zu wohnen, früher habe ich Palm Meadows immer als ¨faked India¨ im Vergleich zu ¨real India¨ bezeichnet, heute denke ich da anders, Palm Meadows ist genauso real India, nur halt eine komplett andere Facette.
Was mir auch gut gefällt ist die Vielfalt an Menschen die man hier kennenlernt, außer den Indern natürlich jede Menge Expetriates aus allen Herren (westlichen) Ländern. Das heißt jetzt nicht, dass mir alle diese Menschen gefallen, aber es ist unglaublich interessant und vielfältig sie zu beobachten. Manchmal auch erschreckend, wenn man sieht wie wenig manche dieser Leute von der indischen Mentalität und Kultur verstehen, selbst nach Jahren die sie schon hier verbracht haben. Leute die immer nur das Wie und das Was sehen, aber nie nach dem Warum fragen. Gottes Zoo ist ja bekanntlich groß und hier in Bangalore kann man halt, wie vermutlich in jedem Schmelztiegel auf dieser Erde, sehr viele Exemplare vorfinden, und interessant wird es halt dann wenn man sie nicht nach Hautfarbe und sonstigem Aussehen einteilt, sondern eher nach dem Wesen.
Auch bei den Indern gibt es natürlich alle möglichen Ausprägungen, und auch unter den indischen Menschen gibt es welche die ich als ausgesprochen sympathisch und welche die ich als ausgesprochene Arschlöcher empfinde, aber das ist halt alles subjektiv, was ich damit sagen will, es gibt halt auch hier die ganze Charakterpalette die der Homo Sapiens so zu bieten hat, nur halt eben abgebildet auf der indischen Kultur. Deswegen ist es schon richtig und wichtig wenn man von den kulturellen Unterschieden spricht, nur wird halt meistens nicht zwischen den Menschen und den Kulturen unterschieden, zumindest in der Ausdrucksweise, wahrscheinlich aber auch oft in der Denke. Man sagt halt gerne mal: ¨Der Inder ist..., der Inder macht...¨ anstatt korrekterweise zu sagen: ¨In der indischen Kultur ist es...¨ etc. Eigentlich selbstverständlich wenn man so darüber nachdenkt...und die indische Kultur hat halt unglaublich viel zu bieten und viel zu entdecken und wenn man mal glaubt irgendetwas verstanden zu haben und dann nochmal hinschaut, ist es im Detail halt doch wieder anders. So wie dieses Blütenarrangement auf dem Foto. Ich bin wochenlang daran vorbeigegangen, es ist vor dem Palm Meadows Club, natürlich ist es schön, aber man kennt es ja schon. Bis mich Kathrin darauf aufmerksam gemacht hat, dass es jeden Tag anders ist und auf Nachfrage ist es auch bestätigt worden, 365 verschiedene Muster im Jahr und das Jahr darauf 365 neue... und genau das ist es was diesen Aufenthalt so spannend macht, er verbreitert nicht nur den persönlichen Horizont, er bietet auch die Möglichkeit den Blick auf das Detail wieder anders zu lernen, wenn das will und wenn man das zulässt...
Und damit wird auch das Heimweh erträglich, das natürlich auch ab und zu aufkommt. Gestern bei dem Geburtstag gab es Leberkäse. Mein erster seit über einem Vierteljahr...:-) und dabei habe ich dann so nebenher erfahren, dass der gar nicht importiert war, sondern hier in Bangalore hergestellt wurde. Es gibt wirklich alles, man muss nur rausfinden wo...obwohl, der Senf dazu war aus Deutschland...
Also, es bleibt weiter spannend und ich freue mich auf die verbleibende Zeit, entweder bis zum Ende der Vertragslaufzeit oder bis das ¨komische Projekt¨ vielleicht doch eingestampft wird. Aber auch diese Situation passt zu Indien, man weiß nie was einem im nächsten Augenblick erwartet, ¨Erwarte das Unerwartete¨, so gesehen ist Indien genau wie ich es mir vorgestellt habe, voll von Überraschungen...wobei jetzt, in diesem Augenblick, weiß ich genau was ich machen werde, nämlich zum Bowling gehen, sofern uns unsere französischen Bekannten nicht versetzen...