So

15

Jun

2014

CarniBall

 

Nun hat sie also endlich angefangen, die Fußball-WM.

Die entsprechenden Berichterstattungsseiten in der Times of India werden täglich, wohl ob der Austragungsstätte, mit CarniBall betitelt.

 

Es ist eh erstaunlich, dass hier im Cricket Land Indien der Fußball World-Cup so große Aufmerksamkeit findet, tut er aber...anscheinend ist das ein globales Phänomen.

 

 

 

Jedenfalls ist das eine Gelegenheit die Internationalität, die mich hier überall umgibt sehr zu genießen.

Los ging's am Freitag früh als Eric und ich natürlich gleich mal den Weg zu Wessler gesucht haben, ein Morgenspaziergang über das Firmengelände. Wir haben ihn dann auch mit etwas rotgeränderten Augen in seinem Büro vorgefunden. Wessler ist der ständige Vertreter des brasilianischen Flugzeugbauers Embraer hier vor Ort.

Bedingt durch die etwas ungünstige Zeitverschiebung zwischen Brasilien und Indien (8,5 Stunden) ist das Eröffnungsspiel gegen Kroatien erst nach Mitternacht angepfiffen worden. Wessler hat es sich natürlich trotzdem angeschaut und sich am Morgen unsere Kritik an dem sehr pro-brasilianisch pfeiffenden japanischem Schiedsrichter anhören müssen, aber er hatte, ob des brasilianischem Erfolgs, noch genügend Endorphine im Blut, dass ihm das nichts ausgemacht hat.

 

Und woran erkennt man momentan die zahlreichen Holländer im Compound? Seit dem 5:1 gegen Spanien scheinen alle auf einer unsichtbaren Gouda-Wolke zu schweben.

 

Italiener habe ich heute noch keinen getroffen, ich werde aber später noch in den Club gehen, mal schauen ob sie den 2:1 Erfolg gegen England feiern...

 

Und heute (Sonntag) morgen kurz nach halb acht hat mich Eric schon angetextet.

Eric hat einige Jahre an der Elfenbeinküste gelebt und gearbeitet und seither sehr gute Kontakte dahin...

 

Es läuft gerade das Spiel Elfenbeinküste gegen Japan, Halbzeitstand 1:0 für Japan:

07:46: „If the score stay like that my friends over there launch the operation 'boycott sushi'“

07:56: „Ivory coast just score 2 goals in 2 minutes. Sushi is authorized again.“

Das Spiel ist zu Ende, 2:1 für die Elfenbeinküste

08:23: „Operation 'boycott sushi' is cancelled“

Herrlich, ich liebe Eric's SMS. Auf meine Nachfrage, was denn boykottiert wird, wenn heute Nacht Frankreich gegen Honduras verliert, meinte er nur:

„Do you want to stop to import beautiful women?“...:-)

 

Morgen greift ja dann Deutschland gegen Portugal ins Geschehen ein. Die deutsche Botschaft hat alle deutschen Expatriats zur Übertragung des Spiels ins Taj Vivanta Hotel eingeladen, ausgestattet mit 2 Großleinwänden und Freibier... na dann werde ich meinen patriotischen Pflichten wohl oder übel nachkommen müssen. Dadurch, dass es das erste Spiel des Tages ist, ist der Anpfiff auch schon ganz erträglich um halb zehn...

 

Tja, und was ist sonst so los gewesen die letzten Wochen? Ich habe ja trotz guter Vorsätze mal wieder nicht durch Blog-Einträge geglänzt...

 

Also, zum Einen ist ja die Feiertagsdichte momentan in Deutschland sehr viel größer als hier in Indien und ich hab halt gerade keinen Urlaub und muss nun mal von Montag bis Freitag arbeiten und zum Anderen bin ich halt immer noch mit meinen Projekt „Midlife Upgrade des gesamten Beiss- Apparates“ beschäftigt und verbringe fast jedes Wochenende an ein oder zwei Tagen ein paar Stunden in der Zahnklinik... aber langsam nähert sich das Ende, der Backenzahnbereich ist komplett fertig und ich bin sehr zufrieden, jetzt wird vorne noch eine (unfallbedingte) Krone erneuert und noch ein bisschen aufpoliert und schon ist mein Lächeln (H-) (B-) ollywood reif...

 

Letzte Woche hatten wir ein paar Tage Besuch von Kathrins Cousin Tilmann mit Familie, die verbringen die Pfingstferien in Indien und sind jetzt in Karnataka unterwegs, bevor sie nächste Woche nochmal kurz vorbeischauen und dann wieder Richtung Deutschland aufbrechen.

 

Außerdem waren wir zweimal zu einer Hochzeit eingeladen, einmal von Verwandtschaft von Swapna, der Köchin, und einmal von Verwandten von Shekar, dem Fahrer. Also, eigentlich sogar öfter und Kathrin ist da auch immer gerne dabei, bei mir hält sich der Enthusiasmus da mehr in Grenzen.

Ich war also nur zweimal, und jeweils auch nur an einem Tag.

Genau habe ich den Ablauf einer typischen indischen Hochzeit eh noch nicht rausgefunden, aber es hängt wohl davon ab, in welchem Bundesland man sich befindet und evtl. auch welcher Religion das Brautpaar angehört.

Insgesamt dauert es aber wohl immer mehrere Tage und es gibt hier auch jede Menge Hallen, die speziell für Hochzeiten angemietet werden.

 

Im ersten Fall waren wir in so einer Halle, im Erdgeschoß befindet sich der eigentliche Festsaal in dem das Brautpaar seine Aufwartung hält und die Leute sich in einer Schlange anstellen um ihr Geschenk zu überreichen und sich mit dem Brautpaar fotografieren lassen (für's Hochzeitsalbum).

Wir als ViPs durften allerdings die Schlange mal wieder by-passen.

Im Keller wird Essen gereicht und im ersten Stock befinden sich Schlafsäle für die weitangereiste Verwandtschaft.

 

Die Hochzeitshalle
Die Hochzeitshalle
Das Brautpaar, bereit zum Empfangen der Geschenke...
Das Brautpaar, bereit zum Empfangen der Geschenke...
...und die Schlange der Gäste, bereit zum Überreichen der Geschenke
...und die Schlange der Gäste, bereit zum Überreichen der Geschenke
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Fr

27

Jun

2014

Biere Street and more

 

So, Vorrunde aus, durchschnaufen.

 

Ich bin ja eigentlich nicht wirklich der große Fußballfan und ohne gelegentliche fachliche Updates der Jungs wäre ich eh ziemlich lost, aber trotzdem macht's nachwievor Spaß zuzuschauen.

  

Die Zeiten sind erträglich solange es sich um das erste Spiel des Tages handelt, sprich Anpfiff 21:30 Indian Standard Time.

 



So war es ja beim ersten Deutschlandspiel gegen Portugal und die deutsche Botschaft hatte zum Public Viewing ins Taj Vivanta Hotel eingeladen.

Just in dieser Woche war mal wieder Christian, ein Kollege aus Deutschland auf Businessreise in Bangalore und ich hab ihm natürlich Bescheid gesagt, ob er denn mitkommen wolle.

Natürlich wollte er, aber er hatte halt noch 3 spanische Kollegen im Schlepptau, die auch mit wollten (zu dem Zeitpunkt waren sie ja noch optimistisch ob des weiteren Turnierverlaufs).

Ein indischer Kollege wollte mich auch gerne begleiten, so habe ich also in der Botschaft angerufen, ob denn der Event ausschließlich den deutschen Staatsbürger vorbehalten sei. Auskunft: "No problem, everybody is welcome..."

 

Also sind wir mit zwei Autos dort aufgeschlagen und der Abend war dann auch wirklich sehr schön. Außer kostenlosen Snacks gab es auch noch Kingfisher Freibier und damit hat man wahrlich nicht gegeizt. Selbst während des Spiels sind ständig Hotelangestellte mit großen Krügen rumgelaufen und haben dafür gesorgt, dass die (Plastik-) Becher niemals leer werden... Ich hab mein Bestes gegeben, der 4:0 Torrausch machte ja auch Feierlaune, aber ich hab's nicht geschafft, die Auffüller waren immer schneller als der Austrinker...:-)

 

 

Public Viewing im Taj Vivanta
Public Viewing im Taj Vivanta

 

Das Ghana Spiel ging dann konditionell schon an die Grenzen, Anpfiff eine halbe Stunde nach Mitternacht...die Jungs hatten das locker weggesteckt, sie mussten ja nicht mehr zur Schule, ich bin aber wohl zwischendurch immer mal wieder auf der Couch weggenickt...

 

Und gestern schließlich das letzte Vorrundenspiel gegen die Kliensmanntruppe. Kathrin und die Jungs sind ja in der Nacht von vergangenem Sonntag auf Montag zurück nach Deutschland geflogen, also musste Eric als Kompagnon herhalten, alleine schauen macht ja keinen Spaß. Kein Problem, sein Herz schlägt zwar natürlich französisch ("Allez les bleus"), aber die Aussicht auf ein T-Bone Steak und selbstgebrautes Bier in der Biere Street haben genügend Überzeugungsarbeit geleistet.

 

Es gibt ja in Bangalores Zentrum den Biere Club, dort wo monatlich der Stammtisch der deutschen Expatriates stattfindet, den ich by the way schon lange nicht mehr besuche, irgendwie rechtfertigt der Aufwand die ganze Sache nicht...

Und dieses Lokal hat jetzt einen Ableger eröffnet, ganz in der Nähe von Palm Meadows, eine kleine Flaniermeile, genannt "The Biere Street", wo eben zur WM eine Leinwand zum öffentlichem Fußballkucken installiert wurde.

 

Das Publikum war vornehmlich indisch, das hätte ich eigentlich nicht so erwartet, das Spiel ausgesprochen langweilig (das habe ich erwartet), aber Steak und Bier hervorragend, allerdings muss ich da noch mal investigieren, der Kellner hat mich gewarnt, das Ale wäre sehr stark, deswegen hab ich vorsichtshalber das Lager gewählt, aber auch das war nicht ohne... irgendwie tun die Inder momentan noch ein bisschen viel Alkohol in ihren neuen Sudkessel...:-)

 

Am Wochenende jährt sich meine Ankunft hier in Indien. Letztendlich ist es rückblickend dann doch sehr schnell vergangen, aber ist das nicht immer so?

 

Ich habe allerdings nicht vor das "einjährige" großartig in Bangalore zu feiern, sondern plane eigentlich eine Motorradtour übers Wochenende in die Western Ghats. Dann gibt's vielleicht auch wieder mal einen Blog mit Bildern... aber jetzt schaun mer mal, eigentlich ist ja schon Regenzeit, auch wenn die Regenfälle hier noch sehr überschaubar sind.

Es gab auch schon Spekulationen in der Zeitung dass der Monsun heuer sehr schwach ausfallen wird, weil wir anscheinend wieder ein El Nino Jahr haben... aber die Wetterprognose hier ist eh unzuverlässiger als das Horoskop.

 

Es soll mein erster Ausflug mit Red Lady werden, bisher hat sie ja nur die Straßen in und um Bangalore kennengelernt. Gestern war ich mit ihr bei der 3000 km Inspektion und das war mal wieder sehr indisch.

 

Shekar hat mich morgens beim Enfield Händler abgeholt und ins Büro gebracht. Abends umgekehrt und just als wir das Geschäft erreichen wird mein Motorrad rausgeschoben, frisch überholt und poliert, Kennzeichen KA für Karnataka und hinten raus 8503, den Rest kann ich mir nicht merken.

 

Ich bin ins Werkstatt Büro gegangen um zu bezahlen, bzw. die Papiere fertig zu machen und bin da nach dem Kennzeichen gefragt worden. Ich habe meine Zulassungskarte rausgezogen und, siehe da: KA01HD8429.

Häh..ich bin also 4 Monate und 3000 km mit der falschen Nummer rumgefahren und niemand hat es gemerkt, noch nicht mal bei der ersten 500 km Inspektion.

 

Shekar hat natürlich sofort die Initiative ergriffen, als wir zuhause waren hat er die Schilder abgeschraubt (es war in zwischen nach 18:30) und sich auf den Weg gemacht. Ich hab ihn noch darauf aufmerksam gemacht, dass er bitte um 19:45 da zu sein hat um mich in die Biere Street zu bringen, aber es kam nur das übliche "No problem Sir"... und tatsächlich, eine Stunde später hatte ich neue Schilder (Mehrzahl ist schon richtig, hier haben die Motorräder ja auch vorne und hinten ein Schild) dran, mit der richtigen Nummer. Keine Ahnung wie das zu ging, aber wir wissen ja, "everything is possible in India"

 

Letztes Wochenende war dann noch die Hochzeit eines Kollegen in einem netten Hotel, zu der wir als komplette Familie (inklusive Eric ;-) auch eingeladen waren. Eine gute Gelegenheit die Lederhosen mal wieder auszuführen. Eingeladen war auf 7 Uhr und wir waren um 7 Uhr da...allerdings fast alleine...gegen 8 fing es so langsam an, dass die Gäste verstärkt kamen. Ich habe das natürlich bei einem Gespräch mit Kollegen, die auch dort waren erwähnt, allerdings wurde nur belustigt geantwortet: ¨Michael, how long have you been to India now? You should know that no Indian will show up at the mentioned time...¨ Wo sie Recht haben, haben sie Recht...

 

 

Das Brautpaar, das Lustige daran: Er heisst Sony...sie heisst auch Sony :-) und, wie Eric richtig bemerkt hat, sogar die Kamera mit der sie gefilmt wurden...
Das Brautpaar, das Lustige daran: Er heisst Sony...sie heisst auch Sony :-) und, wie Eric richtig bemerkt hat, sogar die Kamera mit der sie gefilmt wurden...
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Mo

30

Jun

2014

Kabini / Coorg

Wer die Orte Coorg und Kabini sucht wird allerdings vergeblich suchen.

Kabini ist ein Fluss, der zu einem Trinkwasserspeicher aufgestaut wird und die Gegend rund um den Speichersee ist als Kabini Resort bekannt.

Coorg ist eine Provinz in den WesternGhats mit mehr als 4000 km², die aber komplett im Bundesstaat Karnataka liegt.

 

Als erstes mal wieder kurz die Zusammenfassung der Tour:

824 Kilometer in 2 Tagen, was mit Red Lady eindeutig zu viel ist. Man kann die Sitzposition nur sehr schlecht variieren und irgendwann tut halt der Allerwerteste weh. Meines Erachtens noch schlimmer ist aber auf die Dauer der Lenker, nichts für so lange Touren und meine Hände schmerzten schon ziemlich bald.

 

Aber genug gejammert, ansonsten war es ein toller Ausflug. Den Regenkombi habe ich trotz der Monsunzeit nicht gebraucht, aber das ist ja eine alte Motorradfahrerweisheit, den Kombi braucht man immer dann am nötigsten, wenn man ihn nicht dabei hat. Stattdessen hätte mir Sonnencreme gut getan, wer hätte das gedacht...aber so gab es halt mal wieder eine rote Nase.

 

Freitag Abend habe ich mir den Wecker für Samstag früh 5 Uhr gestellt...na, ob das klappt.

Aber siehe da, man muss nur den inneren Schweinehund überwinden, pünktlich um 6 steht das Motorrad fertiggepackt und abfahrbereit vor der Türe.

Allerdings führt grad ein indischer Nachbar seinen Dackel Gassi und ist sehr interessiert.

¨Where do you wanna go?¨

¨Coorg¨

¨Aah, and where there? I´m from Coorg, I have a real estate there, I plant coffee¨

Tja, die Welt ist klein, so hat er mir also noch ein paar Tipps mit auf den Weg gegeben, aber meine Route stand ja schon mehr oder weniger fest.

 

Dank der frühen Stunde war der Verkehr ein Traum und zweieinhalb Stunden später war ich schon in Mysore. Dort gab es dann erst mal ein Fotoshooting mit der Enfield vor dem noch geschlossenem Palast.

 

Weiter ging´s in Richtung Kabini und auf dem Weg dorthin ist mir brühwarm eingefallen, dass ich mein Handyladekabel zuhause vergessen habe. Also bei nächster Gelegenheit Tee Pause und fragen ob es irgendwo ein Ersatzkabel zu kaufen gibt, hoffentlich versteht mich jemand, ohne mein Handynavi bin ich nämlich lost.

Tatsächlich ist am Tee Stand einer der ganz passabel Englisch spricht und mir nicht nur erklärt wo ich eins kaufen kann, sondern kurzerhand auf sein Moped steigt und vor mir herfährt, aber erst nachdem wir gemütlich unseren Tee leer getrunken haben versteht sich.

 

Kurz vor Mittag bin ich dann auch schon am Kabini Stausee, so dass ich mir locker noch einen Abstecher ins Orange County Resort leisten kann, einer Hotelanlage in Kabini, die eigentlich sehr bekannt ist und ich wollte mal sehen wo und wie die so liegt.

Auf den Weg dorthin sind mir Unmengen an Kindern entgegengekommen, die Samstagsschule war anscheinend gerade zu Ende.

Trotzdem war die Menge der Kinder schon beeindruckend, Kabini muss anscheinend ein sehr fruchtbares Eck Indiens sein..:-)

Und alle winken und viele rufen irgendwas, eigentlich immer das Gleiche, was kann man schon großartiges loswerden in den 3 Sekunden, die meine Vorbeifahrt dauert.

¨How are you?¨

¨Where do you come from?¨

¨What´s your good name?¨ (Typisch indische Frage nach dem GOOD name)

Oder auch einfach nur ¨Name?¨, ¨Country¨ etc. und das hundertfach.

 

Plötzlich fahre ich an einem Jungen vorbei, auch der strahlt und winkt wie die anderen und wirft mir ein ¨Are you happy?¨ zu.

 

Cool, das reicht schon wieder um mich die nächsten Minuten gedanklich zu beschäftigen.

Am I?

Ich beschließe, dass glücklich sein eh kein Dauerzustand sein kann, nur eine Momentbeschreibung. Zufrieden ist wohl das passendere Wort für einen Dauerzustand. Ich stecke mir Ohrhörer mit guter Rockmusik von Axel Rudi Pell rein und genieße den warmen Fahrtwind der mir um die Nase streicht und die gerade mal gute Straße und die Dschungellandschaft.

I´m probably very close to being extremly happy at the moment...:-)

 

Da sehe ich plötzlich einen Elefant direkt neben der Straße stehen. Ich traue meinen Augen nicht, bleibe stehen. Minutenlang bin ich alleine mit ihm, anscheinend ist er gerade erst aus dem Dickicht aufgetaucht. Kein besonders großes Exemplar aber anscheinend schon erwachsen, zumindest sind die Stoßzähne gut ausgebildet.

Freundlich schaut er aus, fast fröhlich. Er ist ca. 20 – 30 Meter weg, näher traue ich mich nicht hin.

Dann taucht auch schon das erste Auto auf und hält an, es folgen bald noch mehrere, alle zücken ihre Fotoapparate, der magische Moment ist vorbei, ich bitte einen Inder noch ein Beweisfoto mit meinem Handy zu machen und dann mach ich mich weiter auf in Richtung Madikeri, das ist mein Ziel für die Nacht.

 

Die Fahrt dorthin zieht sich noch ziemlich und langsam fange ich an müde zu werden, stelle mir ein schönes Hotelzimmer vor...da fällt mir plötzlich schlagartig ein, dass ich nicht nur mein Handyladekabel, sondern auch noch meinen Reisepass zuhause liegen lassen habe. Na Mahlzeit, hoffentlich kann ich irgendwo einchecken, die nehmen es hier meistens ziemlich genau mit den Daten.

In Madikeri angekommen suche ich gleich das erste Hotel auf. Ein Zimmer ist frei, ich gestehe gleich mal, dass ich mich nur mit dem Führerschein ausweisen kann.

Sofort werde ich darauf hingewiesen, dass sie aber verpflichtet sind die Daten aus dem Pass aufzunehmen...nutzt ja nix, ich kann ihn mir ja nicht aus der Nase ziehen. Nach einem Anruf beim Manager und meinem Versprechen gleich am Montag als allererstes eine Kopie zu mailen, darf ich mir ein Zimmer ansehen. Bescheiden und für meinen Geschmack eigentlich dafür zu teuer, aber ich werde den Teufel tun und riskieren am Ende gar kein Zimmer zu haben.

 

Der Hotel Boy (Boy ist sehr schmeichelhaft, gefühlt steht er kurz vor der Rente) ist sehr bemüht und bringt mir die Speisekarte und anschließend das Essen aufs Zimmer. Selbst zum nächsten Schnapsladen fährt er um mir zwei Bier zu holen.

Am nächsten Morgen lasse ich ihm auch ein paar Rupees mehr als sonst am Nachtisch liegen, mit dem Erfolg, dass er mir zum gepackten Motorrad nachläuft: ¨Sir, you forgot your money¨ Unglaublich, oder? Als ich ihm gesagt hab, dass das für ihn ist, hat er aber schön gestrahlt....:-)

 

Bevor ich Madikeri verlasse mache ich aber erst mal noch eine kleine Stadtrundfahrt und entdecke dabei das Fort, das allerdings nicht wirklich in gutem Zustand ist. Nichtsdestotrotz wird es nachwievor benutzt, einige Leute wohnen da, es gibt einen kleinen Shiva Tempel und das Palasthauptgebäude wird als städtisches Büro genutzt.

 

Als ich mich dann auf den Weg mache Richtung Norden, stelle ich überrascht fest, dass die Straßenqualität hervorragend ist. Super Belag, viele Kurven, so ala österreichische Alpenstraße. Ich setze also freiwillig meinen Helm auf und kann das erste mal so ein bisschen Schräglagenverhalten der Lady testen.

Macht richtig Spaß, vor allem weil der Verkehr sehr überschaubar ist am Sonntagvormittag.

 

Ich werde ja immer wieder darauf angesprochen, ob es denn nicht sehr gefährlich sei am indischen Verkehr teilzunehmen. Anfangs dachte ich das ja auch, aber inzwischen habe ich mehr als 13 000 indische Kilometer mit den beiden Bikes absolviert und einiges hat sich relativiert. Motorradfahren ist nicht ungefährlich, keine Frage, nirgends auf der Welt. Ich glaube aber, dass die Wahrscheinlichkeit in Deutschland einen Unfall zu erleiden, der langfristig Auswirkungen auf das Leben hat (falls was davon übrig ist), größer ist als hier in Indien. Und trotzdem habe ich auch in Deutschland keine Angst Motorrad zu fahren. Und hier in Indien muss man sich halt einfach an einige Regeln halten, z.B. dass man am besten den Bussen aus dem Weg geht, die sind meines Erachtens die einzig wirkliche Gefahr, in Bangalore kommen noch die Wassertrucks dazu.

 

Bei meinen 13 000 Kilometern hatte ich 4 "Feindberührungen", einmal ist mir ein TucTuc hinten aufgefahren, einmal ein Auto, einmal hat mich ein TucTuc am Vorderreifen touchiert, einmal ein Kleinwagen am Auspuff. Viermal habe ich eine gscheite Schimpftirade losgelassen und bin schließlich weitergefahren. Kein einziges Mal war auch nur eine annähernd gefährliche Situation dabei. Man fährt hier einfach langsamer und das macht extrem viel aus.

 

Letztens hatte ich doch Sylvie heimgebracht nach dem Schumann Konzert in der Alliance Francaise. Sie hat anschließend zu mir gesagt: "You drive very fast, but I didn't feel one moment unsafe"... und das "fast" bezog sich relativ auf indische Geschwindigkeiten...

 

Apropos fühlen, vor einigen Wochen war in Palm Meadows ein Vortrag über emotionale Intelligenz. Sehr interessant und ich glaube das Thema wird auch immer mehr eine Rolle spielen.

Jedenfalls endete die Sprecherin mit den Worten:

"People will forget what you say; people will forget what you do; but people will always remember how you make them feel"

Das ist doch ein schöner Satz fürs persönliche Poesiealbum...

 

Aber zum Abschluss hat sie uns noch die Hoffnung mit auf den Weg gegeben, dass man seinen emotionalen Intelligenzquotienten positiv beeinflussen kann. Im Gegensatz zum kognitiven, der steht mit der Pubertät fest und dann ist nix mehr zu machen.

 

Oder mit anderen Worten: "Wennsd a Deppal bist hast halt Pech g'habt, wennsd a Depp bist, bist selber schuld :-)"

 

Jetzt aber zurück zum Ausflug.

Ich fahre an einem Schild vorbei, das in Richtung Mallalli Falls zeigt, 8 Kilometer ab meiner eigentlichen Route. Den Abstecher nehme ich noch mit, schließlich sind Wasserfälle doch immer schön anzuschauen.

Die Straße wird allerdings zunehmend schlechter, die letzten 3 Kilometer sind eigentlich nur mit einer Enduro zu bewältigen, nichtsdestotrotz stellen sich die Enfield und ich der Herausforderung.

Am Wasserfall sind dann auch 15 Rupees Eintritt zu bezahlen und man hat nur die Möglichkeit von oben auf die Fälle zu schauen, nach unten müsste man laufen, was sicherlich reizvoll wäre, aber leider nicht im Zeitbudget ist.

 

Ich treffe eine ganze Truppe junger Inder und wie immer wollen sie sich mit mir fotografieren lassen. Dieses mal habe ich aber starke Konkurrenz, sie sind mindestens genauso erpicht darauf ein Foto mit meiner Enfield zu machen...

 

Der Rest des Weges war sehr schön, ich weiche von meiner ursprünglich geplanten Route ein bisschen ab, weil ich lieber auf den Straßen mit den besseren Belägen bleibe. Ab Cannarayapattana geht es dann auf den National Highway 48, den ich schon von meiner Kap Umfahrung kenne und bei dem ich wusste, dass er extrem gut (2-spurig) in Schuss ist. Das bedeutet aber nur die letzten 100 Kilometer "abzusitzen", Spaß macht das nicht mehr, vor allem weil halt Hinterteil und Unterarme permanent kundtun, dass sie eigentlich lieber schon zuhause wären.

 

Dann noch quer durch die Stadt und eigentlich wäre ich locker früh genug daheim um den Holländern gegen Mexiko im Achtelfinale zuzusehen. Ich entscheide mich aber doch lieber fürs Bett, schade eigentlich, war ja scheinbar ein "close shave" für die Niederländer, wäre schon spannend gewesen...

 

Heute Abend geht's dann wieder in die Biere Street dieses Mal für das Frankreichspiel. Eric muss mich wegen einer verlorenen Wette den Abend freihalten :-)

Deutschland spielt mir leider zu spät...mal schauen, wird schon gutgehen, auch wenn ich nicht zuschau...

 

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