Mi
02
Apr
2014
Telefon
…oder wie hier in Indien selbst alltägliche Dinge zum Abenteuer werden können.
Ich habe am Sonntag nachmittag mein Telefon verschusselt.
Verschusselt ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber mir fällt kein besseres ein. Verloren trifft es nicht, Gestohlen ist auch nicht ganz richtig, wenn man es auf dem Silbertablett serviert. Fakt ist, als ich Benedict abgeholt habe, habe ich das Handy als Navisystem benutzt, wie immer, wenn ich in Ecken Bangalores bin in denen ich mich nicht auskenne…und als wir noch kurz beim Einkaufen waren, habe ich es versehentlich im Tankrucksack gelassen und nach dem Einkauf war es weg.
Ein kurzer Anruf brachte auch nichts, erst war besetzt, dann war es ausgeschalten, Anzeichen also, dass es wirklich nicht nur irgendwo runtergefallen ist…
Jetzt muss man verschiedene Sachen wissen, z.B., dass das Handy, bzw. die Handynummer hier in Indien fast wichtiger ist als der Name, man wird überall als erstes nach der Contactnumber gefragt. Sozusagen eine Indien weit gültige Personalnummer. Es gibt auch hier natürlich verschiedene Anbieter, die beiden wichtigsten sind aber Aircel und Airtel. Man kommt aber nur sehr schwer an eine Simkarte ran, wenn man keine feste Adresse hat, andererseits ist man ohne Handy aufgeschmissen, weil man halt ständig zumindest den Fahrer anrufen muss und eben eine Contactnumber braucht.
Als ich letztes Jahr auf Workshop Basis da war, habe ich mir eine Nummer besorgt, sozusagen halb auf dem Schwarzmarkt…das war von dem Moment an die Contactnumber, die ich überall weitergegeben habe.
Allerdings wusste ich nicht, dass die Coverage von Aircel in Bangalore etwas verbesserungswürdig ist und man hier eigentlich am Besten Airtel verwendet. Als ich mich fest angesiedelt habe, habe ich mir einfach eine zusätzliche Airtelkarte besorgt, mein Handy hat ja zwei Kartenschlitze…
So war also das Setup des Telefons, dass mir abhanden gekommen ist, eine Nummer zum Telefonieren und eine Nummer die von Anfang an meine Contactnumber war und überall bekannt ist.
Nun waren beide weg und damit, fast noch schlimmer, auch die Kontaktdaten usw…
Also, Verlustanzeige im Supermarkt, dann erstmal nach Hause fahren, Durchschnaufen und einen Plan überlegen…
Als erstes muss neue Hardware her…damit ging's schon los…rauf aufs Bike und zur Mall…eigentlich war ich ja mit dem alten Samsung (das nur in Indien verkauft wird) ganz zufrieden, aber das gibt es nicht mehr, nur das Nachfolgemodell…auch gut, ein bisschen mehr Rechenpower schadet ja nie und wenn das Display auch ein bisschen besser ist..so sei es…:-)
Ganz unkompliziert, einfach kaufen…aber in Indien geht das nicht, nach dem Bezahlen wird alles ausgepackt und auf Funktionsfähigkeit geprüft, das ist auch Teil der Feedback-Checkliste, die man als Kunde dann ausfüllen sollte. In dem Fall war es auch ganz gut, ich hab gesehen, dass man MikroSim Karten braucht, aber um Whatsapp und das Zeug neu zu installieren wollte ich ja erstmal meine deutsche Karte einstecken und die ist nicht MikroSim.
"Gibt es denn kein anderes Modell mit "normaler" Simkarte?" "No Sir, all the new models have microsim..or even nanosim"…Häh, muss denn wirklich immer alles kleiner werden, die Handys werden doch eh immer größer, also am Platz kann es nicht liegen…
No Problem, im Geschäft kann man sich aus einer "normalen" SimKarte eine MikroSim stanzen lassen. Also rauf auf's Bike, zuhause die Sim geholt und zurück…aber: Denkste, der Chip ist zu groß, die Inder trauen sich nicht auszustanzen…
No risk, no fun, ich nehme die Verantwortung auf mich und tatsächlich hat es auch geklappt…jetzt kann ich zuhause wenigstens das Basic-Setup wieder herstellen…
In der Firma habe ich dann meine Inder informiert, dass ich mein Handy verloren habe und damit ihre Kontaktdaten.
"You have to block the number, immediatelly"…
Häh, es sind Prepaid Karten, sollen sie halt die 5 Mark 80 abtelefonieren…
"They can be misused, perhaps by terrorists"…
Jetzt lasst mal die Kirche im Dorf, als ob jemand mit meinem Handy eine Bombe zünden wollte…
"..and you can get a new SimCard with the same number once you blocked it.."
Aha, jetzt wird es schon interessanter, das ist natürlich eine gute Idee…
Also mache ich mich auf den Weg, erstmal zum Airtel Shop…dachte ich. Eine der faszinierensten Seiten dieser Stadt ist ja die unglaubliche Dynamik, die hier herrscht. Vor Allem, wenn man gewöhnt ist, dass Bauphasen von Autobahnen, Großstadt-Ringstraßen etc. in fast schon Jahrzehnten angegeben werden und hier solche Projekte nur Monate in Anspruch nehmen, man plötzlich Hochhäuser bemerkt, die scheinbar letzte Woche noch nicht hier gestanden sind etc…
Naja, und der Airtel Shop war halt auch nicht mehr da wo er mal war, aber Gott sei Dank nur einige hundert Meter weiter.
Und tatsächlich, problemlos lies sich die Nummer auf eine andere (Mikro)-Simkarte übertragen, in weiser Voraussicht hatte ich ja schon mal Adress- und Identitätsbestätigung dabei und natürlich ein Passbild, aber das braucht man ja eh immer…
Der Preis: 25 Rupees, aber das wissen wir ja schon, dass so Sachen hier erheblich günstiger sind…
Euphorisch ob dieser Erfahrung habe ich mich zum ca. 15 km entfernten AirCel Store aufgemacht. Selbe Story, selber unkomplizierter Einstieg in den Vorgang…bis plötzlich der Name auftaucht, auf den die SimKarte eingetragen ist…ein mir vollkommen unbekannter Inder, aber klar, wir erinnern uns, ich habe sie ja damals sozusagen schwarz erstanden.
"Well, in this case, we can not give you another card…unless you file a case at the police station…"
"Na, wenn es denn unbedingt sein muss, wo ist denn die Polizei?"
"Gegenfrage, wo ist denn das Handy weggekommen?"
"In Whitefield!"
"Dann müssen Sie zur Polizei in Whitefield!"
Von wegen, ist mir doch wurscht, wo ich angebe das Handy "verloren" zu haben. Also auf geht's zur nächsten Polizeistation, nicht weit weg, ist alles zu Fuß zu erledigen.
In der Polizeistation bringe ich mein Anliegen vor. "Ok, wo haben Sie denn das Handy verloren" (von "gestohlen" etc. fange ich ja schon gar nicht an…) .
Na, auf diese Frage bin ich ja vorbereitet, ganz in der Nähe ist mein Zahnarzt und gegenüber eine große Mall…
"In der Forum Mall"…
"und wo da?"…
"auf dem Two-Wheeler Parkplatz"…
"Ok, das ist im Verantwortungsgebiet der nächsten Polizeistation"…
Shit, das kann doch nicht wahr sein…
"Nein, nein, so war das nicht gemeint, auf dem Parkplatz habe ich es das letzte Mal benutzt, verloren habe ich es auf dem Nachhauseweg, wahrscheinlich hier irgendwo…"
Unglaublich welche spontanen Geschichten man erzählen kann ohne rot zu werden…
"Aha…wenn Sie das Handy hier verloren haben…hmm..schwierig…oder geht es Ihnen nur um die SimKarte?"
"Ja, ja, natürlich, eigentlich habe ich nur die SimKarte verloren…" langsam beginnt es absurd zu werden…
"Naja in dem Fall…" er reicht mir ein Blatt Papier…"schreiben Sie doch mal eine Verlustmeldung…"
Gesagt getan und kurz darauf bin ich mit der polizeilichen Bestätigung wieder auf dem Weg zurück zu Aircell…
Allerdings ist die Dame von vorhin in der Pause…also, nochmal von Vorne…from the scratch..
"Tja, da brauchen Sie eine Bestätigung der Polizei.."
"Tatatata…hier ist sie"
"Hmm, aber das reicht noch nicht, wieviel Geld haben Sie denn zuletzt geladen?"
"Keine Ahnung, das macht immer mein Fahrer…500 Rupees ???"
"Hmm, welche Nummern haben Sie denn zuletzt angerufen?"
"Kein Problem…mal schauen…oh shit, ich habe ja alle meine Kontaktnummern verloren…"
Schließlich konnte ich sie aber doch noch überzeugen…puh, sometimes it's a hard job…
Angeblich funktionieren die Karten nach ca. 4 Stunden…bei Aircel hat es tatsächlich geklappt, Airtel geht bis jetzt noch nicht…
50 % Erfolg, gut zugegeben, für eine empirische Auswertung wohl ein bisschen zu wenig Daten, aber im Großen und Ganzen passen die 50 % zu meiner bisherigen Indien-Erfahrung…
Und heute fahre ich nochmal zu Airtel…das kriegen wir doch auch noch hin…wäre ja gelacht, everything is possible in India…;-)
Fr
04
Apr
2014
Reifenpanne
Natürlich passieren diese Dinge immer dann, wenn man es am Wenigsten gebrauchen kann.
Eric und ich haben versprochen heute Nachmittag um zwei in unserem Hauptbüro eine Präsentation über unser Projekt zu halten. Die Anfahrt von unserem Büro dahin dauert mit dem Auto, mit einrechnen von etwas Extrazeit, ca. eine Stunde, das heißt Eric ist mit seinem Fahrer um eins aufgebrochen, ich kann noch ein paar Minuten weiterarbeiten, weil ich mit dem Bike (momentan benutze ich bevorzugt ¨Red Lady¨) ja deutlich schneller bin.
Trotzdem wird es wieder ein bisschen hektisch als ich auf die Enfield aufsteige, aber das schaffe ich schon noch. Nach ein paar Meter, ein komisches Gefühl, irgendwas stimmt da nicht...ich fahre trotzdem weiter. Irgendwann wird es mir aber dann doch suspekt...der Hinterreifen verliert Luft, so ein Mist. Und keine Tankstelle in Sicht zum Nachfüllen.
Eine kurze Untersuchung des Reifens bringt auch schnell die Ursache ans Tageslicht, ein schöner kleiner Nagel steckt mitten in der Lauffläche. Was tun...erstmal eine SMS an Eric, die Antwort kommt prompt, ¨Just arrived, shall I send my driver?¨
Nee, lass mal, ich parke die Lady so sicher wie es geht auf dem Gehsteig weg und glücklicherweise steht ganz in der Nähe auch schon ein TucTuc-Fahrer bereit...na, das hat wenigstens Stil, mit dem TucTuc ins Office.
Nachricht an Eric: ¨Bin in ein paar Minuten da, wir fangen ein bisschen später an¨
Und tatsächlich, um 10 nach zwei war ich im Besprechungszimmer...und mit einem kleinen Joke über die Reifenpanne hat man auch gleich die Zuhörer auf seiner Seite...also hatte der platte Reifen wenigstens auch was Gutes...:-)
Kurz vor Feierabend habe ich mich dann erkundigt was man denn in dem Fall am Besten macht und habe die Auskunft erhalten, dass auch das mal wieder überhaupt kein Problem ist hier in Indien, Reifenpannen sind an der Tagesordnung und es gibt angeblich alle paar hundert Meter sogenannte ¨Puncher Shops¨, Stände am Straßenrand, die sich auf das Reifenflicken spezialisiert haben.
Heimkommen ist auch kein Problem, Erics Driver bringt mich nach Hause.
Kurz ein Anruf bei Shekar was passiert ist mit der Aufforderung, dass wir uns da morgen drum kümmern müssen.
Aber typisch Shekar: ¨No Sir, I will come immediately, the bike is not safe there!¨
Na gut, inzwischen war es zwar schon dunkel, aber wenn er meint...
Er packt noch eine (Hand-)Luftpumpe ein und eine Kombizange und los geht es. Die Verbreitung von vernünftigem Werkzeug ist hier nicht besonders groß...
Auf der Fahrt dorthin hält Shekar bei einem Puncher Shop kurz an, es ist immer besser sich vorher zu erkundigen ob die Dienstleistung die man erwartet auch da noch angeboten wird wo man sie erwartet. Alles klar, dann können wir ja zum Moped fahren. Es sind aber bestimmt noch 4 – 5 Kilometer bis dahin, also von wegen ¨alle paar hundert Meter...¨
Das Bike steht brav noch da wo es abgestellt wurde und wäre bestimmt morgen auch noch dort gestanden.
Shekar packt die Luftpumpe aus und fängt an zu pumpen wie ein Weltmeister, er bringt es immer hin auf 1,5 Atü, was für diese Handpumpe gar nicht schlecht ist.
Na, bis zur Reparatur wird es schon halten. Von wegen, Shekar holt mir nur kurz den Helm aus dem Auto und bis er wiederkommt ist die Luft schon wieder draußen. Also was tun?
¨No problem Sir, I will shift the bike by hand¨
¨Du möchtest den ganzen Weg schieben? Bei dem Verkehr? Du spinnst doch...¨
¨No problem, I will do it¨...streckt mir einen Schlüssel entgegen...¨You take the car and wait for me there¨
Kopfschütteln, aber gut, ich habe das Gefühl, das ist für ihn jetzt eine Sache der Ehre und nachdem ich ja praktisch immer selber mit dem Bike ins Büro fahre hat er eh ein permanent schlechtes Gewissen...
Im nächsten Augenblick steigt allerdings der Blutdruck schlagartig an, als mir klar wird was wir gerade vereinbart haben, ICH soll mit dem Auto fahren...in Bangalore...zur immer noch vorherrschenden Rush Hour...
Jetzt macht mir ja prinzipiell weder Rechtslenkung noch Linksverkehr großartig was aus (abgesehen davon, dass halt beim Blinken regelmäßig der Scheibenwischer angeht...;-), aber den Verkehr in Bangalore hab ich zwar inzwischen mit dem Bike ganz gut im Griff...aber mit dem Auto?!? Ganz abgesehen davon, dass unser Auto inzwischen gelbe Schilder hat und ich eigentlich gar nicht fahren darf, Fahrzeuge mit gelben Schildern dürfen nur von Drivern gefahren werden, wenn man als 08/15 Zivilist fahren will, braucht man weiße Taferln.
¨Be careful when you enter backside the road¨ gibt er mir noch als Ratschlag auf den Weg, weil er sehr elegant auf dem Gehsteig parkt...und weg ist er.
Na gut, durchschnaufen und los geht’s. Jeder, der glaubt, ich übertreibe hier jetzt ein bisschen ist herzlich eingeladen sich die Verkehrssituation hier mal mit eigenen Augen anzuschauen...
Aber es klappt und ich bin auch relativ schnell am Ziel, inklusive U-Turn.
Allerdings kommt mir die Strecke schon verdammt weit vor, zum Schieben...
Gott sei Dank gibt es auch in dem Auto eine DVD Anlage, so kann ich wenigstens die Wartezeit bis Shekar kommt mit meiner letztens neu erstandenen Casablanca DVD überbrücken (¨Spiel´s nochmal, Sam...¨;-)
Achso, ich habe ja noch gar nicht erzählt, dass unser altes Auto letztens mitten auf der Straße, Kathrin war gerade mit Shekar unterwegs, beschlagnahmt worden ist, weil der Besitzer monatelang seinen Kredit nicht bedient hat...
Irgendwann ruft Shekar an, er brauche noch ein bisschen...na das wundert mich nicht, ich hätte wahrscheinlich schon lange aufgegeben...aber schließlich taucht er doch auf (as time goes by...;-)
Allerdings war die Auskunft im Shop: ¨Na der Reifen ist schlauchlos, den können wir nicht reparieren...
Super und jetzt? Jetzt kommt Shekar wieder ins Spiel: ¨Fahr mal nach Palm Meadows, ich schiebe weiter bis zum nächsten Puncher Shop¨
Jetzt will er es aber wissen...ich schaue mir noch kurz den Film zu Ende an, viel ist ja eh nicht mehr uebrig (¨Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft...¨) und mache mich dann tatsächlich auf den Heimweg.
Zuhause angekommen ein kurzer Anruf bei Shekar, ja es sei alles in Ordnung, aber doch nicht und er ruft in zehn Minuten zurück.
Der Anruf kam auch tatsächlich sehr zeitnah, ich könne ihn abholen, kurze Beschreibung wo eigentlich (alleine das ist in Indien eine riesige Herausforderung), also mache ich mich wieder auf den Weg. Inzwischen bin ich auch kein Verkehrshindernis mehr, sondern passe mich ganz gut an...ok, der Verkehr ist auch leichter geworden...
Das ¨Nicht ganz ok¨ hat sich dann aufgeklärt, sie hatten nicht die passende Schlauchgröße (von wegen tubeless tyre !!!) und haben halt jetzt irgendeinen halbwegs passenden montiert (jetzt sind wir wieder voll in Indien :-)
¨Dadurch ist sie ein wenig unruhig beim Fahren, aber ein paar Tage hält es schon...¨...wird mir noch mitgeteilt.
Passt schon für´s erste, es ist inzwischen ja auch schon spät...rauf auf´s Bike, ab nach Hause...
Another adventure in incredible India...;-)