6./7. Sep.
Ich habe mir letztens Seitentaschen für die Enfield gekauft und es wird höchste Zeit sie mal auszuprobieren.
Gar nicht so einfach so etwas in Indien zu finden, aber dank eines indischen Nachbarn habe ich einen guten Tipp erhalten.
Der Verkäufer (ein enthusiastischer Enfield-Fahrer, also sehr symphathisch) hat gesagt, es gäbe zwei verschiedene Größen, leider würde aber auf die Continental GT nur die kleinere passen, wegen der Breite der Sitzbank.
Ich entschied mich trotzdem für die größere Variante, es soll ja schließlich auch was Platz haben.
Zuhause habe ich die Taschen dann trotzdem auf Red Lady ausprobiert und, naja, passt nicht hundertprozentig, aber es geht schon...dachte ich.
So fiel also die Entscheidung den geplanten Wochenendtrip nach Hampi und zum Chitradurga Fort mit dem roten Bike zu machen.
Samstag früh, alles ist gepackt, viel muss ich ja eh nicht mitnehmen für zwei Tage und wegen der neuen Packtaschen brauche ich noch nicht mal einen Rucksack.
Den Regenschutz übergebe ich noch Shekar und auch den Regenkombi lasse ich zu Hause, es ist zwar immer noch Monsun-Season, aber das Wetter schaut stabil aus.
Und schon bin ich auf dem National Highway No. 7 Richtung Norden, das Wetter ist gut, die Lady läuft prächtig, meine Stimmung ist hervorragend, endlich wieder auf dem Bike unterwegs.
Irgendwann bleibe ich stehen für einen Positionsupdate und wundere mich wegen des Gestanks, sind schon Saubären, die Inder, sie verbrennen überall den Müll neben den Straßen und dementsprechend verpested ist die Luft.
Aber diesesmal ist die Ursache eine andere. Durch das Gewicht und das Geruckel hat die rechte Packtasche Bekanntschaft mit dem Auspuff gemacht und es ist schon ein beträchtliches Loch reingebrannt.
Mist, schnell alles auspacken und Bestandsaufnahme machen.
Die Ersatzunterhose ist verkohlt, ebenso die Socken. Die FlipFlops sind etwas angeschmort, aber am Schlimmsten hat es den, mir auf Reisen liebgewordenen, Kulturbeutel von Emirates erwischt (Business Class Geschenk :-(). Zahnbürste und Rasierer sind nur noch ein Plastikklumpen und Rasierschaumdosen scheinen die Tendenz zu haben unter Hitzeeinwirkung zu explodieren...
Alles in Allem aber erträgliche Verluste, am Meisten muss ich mich über den hässlichen Fleck geschmolzenen Plastiks auf dem Motorrad Auspuff ärgern.
Nachdem ich alles verbliebene Gepäck in der linke Seitentasche verstaut habe, geht es weiter.
Prinzipiell ist es eine schöne, wenn auch eher langweilige Strecke und ich erreiche Hampi so gegen 4 Uhr nachmittags.
Die Regenwolken am Horizont werden immer dicker, so gehe ich auf das Angebot ein, ein Zimmer in einer kleinen Pension zu nehmen, wie sich herausstellt, sehr schön gelegen mit Terrasse und Blick auf den Fluß Tungabhadra.
Hampi war von ca. Mitte des 14. bis ca. Mitte des 16. Jhds die Hauptstadt des Hindu Königreichs Vijayanagar, das zu der Zeit ganz Südindien regierte.
Heute ist der Ort Hampi nur noch relativ klein und zur Saison (Winter) wohl sehr touristisch.
Das gesamte Areal umfasst circa 30 Quadratkilometer auf denen man mal wieder Zillionen Tempel und andere Ruinen anschauen könnte... wenn man denn wollte... mein geschichtskulturelles Interesse hält sich an dem Wochenende aber eher in Grenzen...
Ich erfrage eine Werkstatt ganz in der Nähe meiner Absteige und finde dort auch tatsächlich jemanden, der willig ist meinen Auspuff von geschmorten Plasikresten zu befreien.
Ich bin gerade zurück im Zimmer, bzw. im Dachrestaurant der kleinen Pension, da legt der Monsun los, aber so richtig heftig und ich bin sehr erleichtert, dass ich den Gedanken noch weiterzufahren dann doch verworfen habe. Nach dem heftigsten Schauer mache ich mal einen Kontrollbesuch in der Werkstatt, der Auspuff ist schon fast wie neu.
"I could do it better, but I was not able to finish because of the rain"
Kein Problem, dann komme ich halt morgen wieder.
"You should take your bike to the hotel for the night"
Nein, nein, solange es regnet bringe ich das Bike nirgends hin, passt schon, schieb es einfach unter's Dach.
Abendessen gibt es dann im "Chill-out" Restaurant, eine nette Location in der man beim Essen mehr liegt als sitzt. Anschließend ist's eh Zeit für das Bett, so ein Motorradtag ist anstrengend, erst aber noch die Zähne putzen mit der nagelneu erstandenen Ersatzzahnbürste...
Am Sonntag morgen schlendere ich dann zum (Haupt-)Tempel und ans Ufer zum Frühstücken, ich muss mir die Zeit bis neun vertreiben, da habe ich die Abholung des Bikes vereinbart.
Tatsächlich komme ich auch noch etwas später, weil der Tempelelefant und die Affen im Tempel mehr Zeit in Anspruch genommen haben als geplant.
"Everything is finished?"
"Yes Sir, but we have a small problem...somebody stole the horn during the night, I told you, you should bring the bike to the hotel"
Da hat mir doch tatsächlich irgendjemand in der Nacht eine Hupe ausgebaut. Immerhin nur die rechte, hier haben die Bikes nämlich standardmäßig Doppelhupen.
Prinzipiell kann ich also noch hupen, aber halt eher so zurückhaltend deutsch und nicht indisch Aufmerksamkeit fordernd... naja, ist halt so, der Mechaniker bietet mir als Ersatz eine alte, verrostete an, aber da besorge ich mir lieber in Bangalore einen neuen Ersatz.
Die Auspuff-Reingungsaktion plus einer kleinen Reparatur am Lenker haben mich übrigens keine sieben Euro gekostet.
Zuhause verdient unser fleißiger Nachbarssohn (zurecht) mehr für einmal Rasen mähen.
Weiter geht es in Richtung Chitradurga, erst über sehr nette Straßen durch die Umgebung von Hampi bis nach Hospet.
Alles ist sehr ländlich und wenn ich mit meiner Lady zum Teetrinken Pause mache versammelt sich sofort ein Pulk um das Motorrad, Enfields sind rar hier und eine Continental eine Attraktion.
Dann geht es weiter in Richtung Chitradurga.
Die nächsten gut 100 Kilometer werden allerdings zu einer der schrecklichsten Motorradfahrten, die ich je gemacht habe.
Los geht es mit einem plötzlichem Aufleuchten der Motorwarnleuchte.
Ich bleibe stehen, kontrolliere den ölstand, der ist ok. Der Motor läuft auch ganz normal, die Leerlaufdrehzahl ist etwas hoch und die Kiste springt schlechter an als gewohnt.
Ich beschließe eh nichts machen zu können und weiter zu fahren.
Ich weiß auch jetzt noch nicht was die Ursache für die Kontrollleuchte ist, aber die Enfield ist gerade in der Werkstatt wegen mehrer Kleinigkeiten.
Das aber nur am Rande, das hat die Fahrt nicht so schlimm werden lassen.
Es beginnt zu regnen, nicht heftig, aber, bei uns würde man sagen, typischer ¨Schnürlregen¨.
Wasser genug, dass die Motorradbrille beschlägt und die Sicht einschränkt und außerdem tun die Tropfen auch ein bisschen weh im Gesicht, ich habe schließlich weder Integralhelm noch Visier.
Die Strecke ist fast ausschließlich von LKWs befahren, Marke Ashok Leyland, falls die jemand kennt, teilweise bunt bemalt mit Hindu-religiösen Symbolen darauf...zurecht bei dem technischen Zustand.
Der Straßenzustand ist unter aller Sau, überall lauern die, wie ich sie inzwischen nenne, ¨Deadly Pot Holes (nicht zu verwechseln mit den ¨Deathly Hallows¨ aus Harry Potter), Schlaglöcher, mitten in der Straße, denen selbst die LKW-Fahrer ausweichen und die für einen Motorradfahrer vermutlich fatal wären.
Die Trucker fahren und überholen rücksichtslos, die langsamsten sind mit unter 20 km/h unterwegs, die flottesten mit gut 50.
Ich sehe auf der Strecke zwei LKWs vollkommen demoliert im Straßengraben liegen und ich muss insgesamt 5!!! mal von der Straße runter, weil mir zwei LKWs nebeneinander entgegenkommen.
Ein gemütlicher Sonntags-Motorradausflug geht anders, aber es ist eine ganz gute Ausdauer-Konzentrationsübung...
Kurz vor Chitradurga hört der Regen auf und durch die warme Luft und die Sonne, die zeitweise hervorblitzt sind sowohl Straße als auch Klamotten im Nu wieder trocken.
Die Stimmung verbessert sich schlagartig und ich beschließe am Programm festzuhalten und das Chitradurga Fort zu besichtigen.
Dieses Fort ist über die letzten Jahrhunderte entstanden und fügt sich sehr schön in die natürliche Felslandschaft ein. Verschiedene Herrscher nutzten und erweiterten es, selbst die Briten haben am Anfang des 19. Jhds einige Garnisonen dort stationiert.
Es lädt zum Spazierengehen und Herumklettern ein, allerdings habe ich nicht soviel Zeit im Gepäck.
Am unteren Teil finde ich eine Menschenmenge vor, die sich anscheinend um einen Kletterer versammelt hat. Nachdem ich der einzige Weiße weit und breit bin, richtet sich die Aufmerksamkeit des Kletterers auf mich und er beginnt ein Gespräch.
Er erzählt mir, dass er sich den Namen ¨The Indian Monkey¨ gegeben hat und den Rekord im vertikalen Geschwindigkeitsklettern hält, 30 ft (10 Meter) in 9 Sekunden, senkrecht eine Wand hoch.
Ich erzähle ihm, dass ganz in der Nähe, wo ich herkomme, auch zwei berühmte Kletterer beheimatet sind, die ¨Huaba-Buam¨.
¨Oh yes, the Huber brothers, yes, I know them...but they are safety climbers...¨
Als Demonstration seiner Kunst steigt er die circa 6 – 7 Meter hohe Fort-Wand hoch, bittet mich vorher aber noch ihn zu filmen.
Ich bin restlos erstaunt. Ein Inder erzählt mir, dass über den Kletterer schon zwei Berichte im Discovery Channel gekommen sind.
Eigentlich wollte ich das Video hochladen, ich habe aber zuhause nach ¨Jyothi Raju¨, so ist sein echter Name, gegoogelt und dabei einen Artikel in einer Schweizer Zeitung gefunden, der erst vor wenigen Tagen entstanden ist und in dem auch einige Videos eingebunden sind
( http://blog.tagesanzeiger.ch/outdoor/index.php/38564/der-affenkoenig/ ).
Bitte unbedingt anschauen !!! Und falls es den Link nicht mehr geben sollte, nach dem Namen googeln. Oder auf YouTube schauen.
Er ist 26 Jahre jung, hat schon einige brenzlige Situationen glimpflich überstanden und ich schätze, er wird, wenn er so weiter macht, seinen 30sten Geburtstag nicht unbeschadet erleben.
Aber ein unglaublich netter symphathischer Bursche...ich wünsche ihm von Herzen alles Gute...
Weiter geht es zurück nach Hause, es liegen noch gut 200 Kilometer vor mir. Shekar hat mir vorher schon erzählt, dass der old NH No.4 von Chitradurga nach Bangalore sehr gut ausgebaut sei und (fast) durchgängig einen guten Belag aufweist.
So ist es auch. Um die Fahrt etwas aufregender zu gestalten, klebe ich mir Ohrhörer ins Ohr, sonst fallen sie ab ca. 100 km/h selbst unter dem Helm raus, lege Avantasias ¨Metal Opera¨ ein (Teil 1 und 2) und fahre ein bisschen Slalom zwischen den LKWs, die sich statistisch auf alle drei Fahrspuren verteilen.
Prinzipiell gibt es hier in Indien schon ein ¨Linksfahr-Gebot¨, nur kümmert sich da niemand drum, und so kommt es schon vor, dass auf der rechten überholspur plötzlich ein Bagger mit 15 km/h fährt.
Adrenalin ist schon eine tolle Droge, aber, wie immer, nichts übertreiben, safety first...
Ungefähr 50 Kilometer vor Bangalore verdunkelt sich der Himmel wieder und es fängt wieder leicht an zu regnen. Außerdem verdichtet sich der Verkehr, so dass eh wieder ¨Gesittetes Fahren¨ angesagt ist.
Einige Kilometer später fängt der Hinterreifen wieder verdächtig an zu ¨schwimmen¨. Ich halte an und tatsächlich, ich verliere schon wieder Luft, das darf doch wohl nicht wahr sein, ab zur nächsten Tankstelle und Luft auffüllen, aber schnell wird klar, dass ich so nicht nach Hause komme.
Der nächste Puncher Shop ist nicht weit, aber meine Erleichterung weicht, als der Mechaniker sagt, er kann mir nicht helfen, der Reifen sei ¨tubeless¨.
Naja, das Thema hatten wir ja schon mal, ich kann ihn überzeugen, dass da sehr wohl ein Schlauch drin ist.
Ok, aber er kann das Rad nicht ausbauen, wegen der Scheibenbremse.
Gott sei Dank taucht in dem Moment der Chef der Werkstatt auf, er hat anscheinend gerade irgendwo einen LKW Schlauch besorgt, und nimmt sich der Sache an. Natürlich kann mir geholfen werden.
Allerdings haben sie keinen Ersatzschlauch, sondern flicken den Schlauch nach alter Manier.
Naja, bis ich zuhause bin wird es schon halten. Hat es auch.
Nur das Wetter hält nicht, es regnet immer stärker, den ersten echten Starkregen warte ich noch in einer Unterführung ab, den zweiten und die darauffolgenden lasse ich tapfer über mich ergehen, es ist inzwischen stockfinster geworden und ich wünsche mir eigentlich nur noch eine Dusche (also im Bad...keine natürliche...).
Daheim angekommen gibt es keine trockene Stelle mehr an mir. Selbst die Unterwäsche kann ich auswringen.
Trotzdem bin ich sehr zufrieden mit dem Wochenende, es war sicherlich keine ¨Sunny Day Tour¨, aber sehr intensiv... ¨Life Pur¨ :-)
Die Lady habe ich übrigens heute in die Werkstatt gefahren mit einer langen ¨To-Do-Liste¨, angefangen von der Motorkontrolllampe über die Hupe bis zum Seitendeckel, der mir ja immer noch fehlt...plus 6000 km Service usw...
Erste Schätzung: Am Samstag kriege ich sie wieder... schaun mer mal...
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