Letztes Wochenende war das einzige Wochenende, das wir gemeinsam hier in Bangalore verbringen werden. Und das wollten wir für zwei Tagesausflüge nutzen. Haben wir auch, aber halt nicht so wie geplant.
Der Plan war eigentlich am Samstag nach Hogenakkal zu fahren, das ist ein Wasserfall südlich von Bangalore in Tamil Nadu und am Sonntag wollten wir nach Chitradurga einem Fort nordwestlich von Bangalore, um ein bisschen zu spazieren und die neuen Wanderschuhe von Basti und mir einzulaufen. Warum wir die brauchen, dazu später...
Weiterhin war der Plan, dass ich mit dem Motorrad fahre und bei Interesse jemanden mitnehme, zu sechst im Auto (Kathrin, Bene, Basti, Sammy, Shekar und ich) geht zwar, macht aber nicht wirklich Spaß. Zu viert hat man gut Platz und wir können uns ja am Ziel treffen.
Nächste Entscheidung, welches Bike soll ich nehmen? Inzwischen habe ich auch auf Red Lady eine Zweiersitzbank und ein zweites Paar Fußraster nachgerüstet und so fällt auch die Entscheidung, sie mal auf Zwei-Personen-Tauglichkeit zu testen.
Basti will gleich Samstag Vormittag als erster mitfahren, so sei es.
Wir haben uns extra die kleineren Straßen rausgesucht, es macht halt doch mehr Spaß mit weniger Verkehr und mehr Natur.
Nach circa zweieinhalb Stunden Fahrt und schon sehr nah am Ziel werden wir von einer Polizeikontrolle angehalten, wo wir denn hin wollten.
Na zu den Wasserfällen.
Es ist alles gesperrt, man darf auch im Fluss nicht baden, es sei alles zu gefährlich wegen Hochwasser.
Der Monsun hat anscheinend weiter flussaufwärts soviel Regen gebracht, dass die Staumauer bei Kabini geöffnet werden musste und deswegen der Kaveri River überflutet ist.
Na, immerhin dürfen wir nach ein bisschen verhandeln weiterfahren, schließlich wollen wir uns mit den anderen in Hogenakkal treffen, und die kommen aus einer anderen Richtung angefahren.
Das Moped wird wieder gestartet und weitergeht´s. Allerdings nur wenige Kilometer und dann beschließt die Lady nicht mehr zu wollen. Na toll, auch noch ¨in the middle of nowhere¨ ohne Handy Empfang, weder mit AirCel noch mit der Airtel Karte.
Erstmal Fehleranalyse: Der Anlasser geht, aber der Motor zündet nicht, also entweder kein Sprit oder kein Zündfunke. Beim Tanken waren wir aber schon...
Der erste two wheeler, der vorbeikommt hält aber gleich an, darauf sitzen zwei junge Inder. ¨What´s the problem?¨
Ich erkläre es ihnen.
¨Do you have enough fuel?¨
Danke ihr Spaßvögel, ganz dumm bin ich auch nicht.
¨Perhaps it is simply too hot, wait a few minutes and than try again¨
Naja, Zündkerzenschlüssel habe ich nicht dabei und vielleicht ist es ja echt ein Temperatur Problem mit der Zündspule oder whatever...
Fünf Minuten später, tatsächlich, sie springt an, ich setze mich drauf und richte das Bike vom Seitenständer auf und...schon wieder aus...
Die kriegt doch keinen Sprit, Benzinleitung verstopft? Benzinpumpe hin?
¨Two kilometers straight ahead, there is a mechanic¨
Na wenn das stimmt, zwei Kilometer schieben ist ja nicht die Welt.
Also los geht’s, die beiden Jungs verabschieden sich.
Schon nach wenigen hundert Meter ist ein kleiner Essensstand mitten im nirgendwo, davor sitzen ein paar wenige Leute.
¨What´s the problem? You need fuel?¨
¨No thank you the tank is full, maybe something with the fuel pump¨
Mir war nämlich inzwischen aufgefallen, dass das leise Surren, wenn man den Zündschlüssel auf ON stellt, nicht zu hören war und der Verkäufer im Enfield Store hat mir bei der Übergabe im Februar erzählt, dass das von der Einspritzpumpe kommt. Aber das war nur ein vager Verdacht.
Basti und ich bleiben kurz stehen, mein Shirt ist eh schon durchgeschwitzt, bisschen Pause machen...
Und ab da bekam das Ganze eine Eigendynamik wie man es sich kaum vorstellen kann. Keiner der Leute sprach vernünftiges Englisch, aber jeder überschlug sich mit mehr oder weniger hilfreichen Vorschlägen.
Sie fangen auch gleich fleißig an das Bike zu inspizieren.
¨Wo ist denn der Benzinhahn?¨
¨Das Modell ist neu, da gibt es keinen Benzinhahn mehr!¨
"Aha"
Es kommen immer mehr Leute dazu. Und jeder will mal auf den Anlasser drücken um zu sehen, ob sie nicht bei ihm doch anspringt.
Jetzt ist's aber mal gut, so wird nur die Batterie leer.
Das verstehen sie anscheinend, ab sofort wird der Kickstarter malträtiert. Erfolglos natürlich.
Das Problem ist, dass die Inder ja wirklich Meister im Improvisieren sind, aber die Continental GT ist halt ein nagelneues Modell, und die erste Enfield mit Einspritzpumpe. Das kennen sie noch nicht.
Plötzlich ist wieder ein neuer junger Mann da...angeblich ein Mechaniker, der herbeigerufen wurde. Er baut auch gleich Sitzbank und Tank ab, er hat wenigstens auch einen Zündkerzenschlüssel dabei.
Gleichzeitig drückt mir ein anderer sein Handy ans Ohr, er hat anscheinend den nächsten Enfield Store angerufen und der Mechaniker möchte sich mit mir unterhalten.
Es wird alles ziemlich chaotisch, die Stimmen mehren sich, dass man so nicht weiterkommt.
Inzwischen ist Gott sei Dank Shekar gekommen, ich hatte ihn erreicht, aber er durfte mit dem Auto gar nicht ins Hochwassergebiet fahren, also sind er, Kathrin, Benedict und Sammy mit dem TucTuc gekommen.
Shekar spricht ganz leidlich Tamil und kann meinen Wunsch übersetzen, dass ich eigentlich ganz gerne einen Transport zum Enfield Händler hätte.
Das Auto, ein Pick up, steht eh schon da, irgendwer hat das in der Zwischenzeit organisiert. Gemeinsam wird die Lady auf die Ladefläche gewuchtet.
Shekar sagt, der nächste Enfield Techniker ist in Hosur, mehr als 50 Kilometer weg. Aber es gäbe einen guten Mechaniker in circa 17 Kilometer und der will sich der Sache nochmal annehmen.
Also gut, dann fahren wir erst da hin.
Shekar will sich zwar gerne kümmern, aber Kathrin wird schon ungeduldig und so beschließen wir, dass der Rest das ganz normale Programm macht (sofern das bei Hochwasser überhaupt möglich ist) und ich fahre auf der Enfield sitzend auf der Ladefläche des Pick Ups mit in die Werkstatt.
Der Mechaniker dort ist schon informiert, keine Ahnung wer hier wen wann angerufen hat...jedenfalls steigt er auf die Ladefläche und fängt von vorne wieder an: Benzin im Tank, Zündkerze kontrollieren usw.
Ach Nö, ich will jetzt wirklich in die Enfield Werkstatt, die Zeit vergeht und wenn wir Glück haben kann sich noch einer am späten Samstag Nachmittag um mich kümmern.
Der Kerl ist aber nicht aus der Ruhe zu bringen, wenigstens gibt es in der Nähe eine Gelegenheit indischen Tee zu trinken.
Als ich wieder zurückkomme ist er immer noch am werkeln...jetzt ist es aber gut, lass uns nach Hosur fahren.
Doch plötzlich läuft das Moped.
Wie kam´s? Eigentlich im Nachhinein eine beschämend einfache Sache. Die Einspritzpumpe ist durch eine eigene Sicherung abgesichert, und die ist durchgebrannt. Auf die Idee mal die Sicherungen zu checken ist vorher keiner gekommen.
Also, Hut ab, was bin ich schuldig?
Lächerliche 100 Rupees für eine knappe Mechanikerstunde...
Auch hier sind sofort wieder genügend Leute anwesend um willig mit anzupacken um die Lady wieder von der Ladefläche zu bekommen.
Ich treffe mich wieder mit den anderen, für die Nachhausefahrt hat sich Sammy angemeldet.
Allerdings ist es schon ziemlich spät und schwarze Regenwolken stehen auch am Horizont. Nichts wie los also. Als wir Bangalore erreichen ist es stockfinster und die Straßen sind teilweise überflutet, hier scheint es ordentlich geregnet zu haben, wir sind bisher verschont geblieben.
Der Verkehr ist mal wieder unglaublich schlimm und kommt teilweise fast ganz zum Erliegen. Kurz vor zu hause schneidet mich ein anderer Zweiradfahrer beim losfahren und ich rutsche in ein Wasser gefülltes Schlagloch, eins der ganz üblen Sorte, mindestens 10 Zentimeter tief, ungefähr so als würde man von der Bordsteinkante abrutschen. Ich kann das Motorrad nicht mehr halten, es fällt um, Sammy und ich purzeln runter.
Verdammter Mist. Der andere Mopedfahrer steht noch neben dem Schlagloch, auf seiner Honda Hero sitzt seine Frau und sein Kind.
Das ist ja nicht ungewöhnlich, dass hier in Indien der Familienausflug mit dem Moped stattfindet.
¨Sir, I´m extremly sorry¨, sagt er.
Jetzt bin ich lange genug in Indien um zu wissen wie diese Art von Vorfällen eigentlich meistens geregelt werden. Ich hab das ja schon oft genug gesehen.
Ich müsste ihn jetzt erst mal ordentlich anschreien, Drohgebärden machen und eventuell handgreiflich werden.
¨It´s ok¨ ist alles was ich erwidere, nutzt ja eh nix, es fehlt ja praktisch nichts bis auf den Seitendeckel und hilft ja eh nix, eine Haftpflicht Versicherung für Nichtpersonenschaeden kennen die Inder nicht.
Wäre der Seitendeckel nicht weg, würde man am Motorrad gar nichts merken und komischerweise kann ich ihn nirgends finden. Ich habe schon den Verdacht, dass der noch bei dem Mechaniker liegt, aber Kathrin hat ein Foto gemacht als ich und Sammy losgefahren sind, da war er noch da...ein Mysterium...kann man einen Seitendeckel während der Fahrt verlieren ohne es zu bemerken?
Auf den letzten paar Kilometern nach Hause stehend (der Stau wurde nicht leichter) dachte ich noch, naja, wenigstens sind wir nicht in den Regen gekommen...und schon fing es an...
Der geplante Ausflug am nächsten Tag war mir dann zu weit, viereinhalb Stunden einfache Fahrt laut Reiseführer und dann wollten wir da ja noch wandern. Das geht maximal, wenn man ausgesprochen fit ist und am nächsten Tag ausschlafen kann.
Ersteres war ich nach dem Vortagesausflug bestimmt nicht und ausschlafen ist auch nicht drin, schließlich muss ich arbeiten.
Also beschließen wir nur zu den Nandi Hills zu fahren, etwa 70 Kilometer entfernt. Auf dem Weg gibt es auch einen sehr schönen Tempel und Sammy muss ja mindestens einmal im Tempel gewesen sein, das ist Pflicht in Indien! Dieses Mal werde ich bei der von Fahrt Benedict begleitet.
Wir fahren wieder mit der Continental, zum Austesten.
Sie hat noch nicht einmal 4500 km auf dem Buckel und macht schon gelegentlich Kummer.
Nach dem ersten platten Reifen, den ich ja mal beschrieben habe, kam nochmal einer dazu und letztens ist mir auf dem Weg ins Büro das Gasseil gerissen.
Sollte das so weitergehen werde ich sie von ¨Red Lady¨ in ¨Rote Zicke¨ umbenennen.
Oben am Berg haben wir dann das Bike abgestellt und sind alle gemeinsam noch ein Stück mit Shekar gefahren um anschließend rund um den Hügel zu wandern.
Circa 10 Minuten nachdem Shekar uns am Ausgangspunkt abgesetzt hat, hat ein Monsunschauer eingesetzt, und zwar so einer der heftigen Sorte.
Erst wollten wir etwas Schutz unter einem Baum suchen, aber das ist vergeblich. Schließlich sind wir zum Auto zurück, vollkommen durchnässt, als ob man aus der Wanne käme.
Zum Trocknen wollten wir ins Restaurant, aber viel genutzt hat's nicht.
Basti konnte mir dann noch ein trockenes T-Shirt leihen (Das nächste Mysterium wie ich da rein gepasst habe) und Benedict, er wollte wieder mitfahren, hatte während des Schauers seine Regenjacke an und war darunter eh ziemlich trocken.
In Bangalore angekommen war es dann auch schon wieder warm genug und auch die Straßen waren nicht mehr nass, und noch bevor wir Palm Meadows erreicht hatten waren auch unsere Jeans fast ganz getrocknet.
Also letztendlich verlief das Wochenende anders als geplant, aber was soll´s, so wie fast alles hier in Indien halt.
Und warum wollten wir die neuen Wanderschuhe einlaufen, bzw. warum haben wir überhaupt welche gekauft?
Am kommenden Freitag ist Unabhängigkeitstag und damit Feiertag und die Woche drauf habe ich Urlaub und wir haben einen Trip ins Himalaya geplant.
Also demnächst gibt es vielleicht einen Blog aus über 5000 Meter Höhe und ein Bild mit mir und Bigfoot :-)
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Jürgen (Montag, 18 August 2014 22:49)
Hi Michi,
tscha, Du solltest die Sache mit ohne Werkzeug auf Tour zu gehen vielleicht noch mal überdenken?! Alles in Indien scheint etwas abenteuerlich zu sein. Ich freu' mich trotzdem oder vielleicht genau deshalb.
Viele Grüße,
Jürgen