Varanasi

 

26.7. - 29.7.

 

Früher hieß die Stadt Benares, manche nennen sie auch Kashi, die Stadt des Lichts.

Varanasi ist die heiligste Stadt der Hindus, sie ist die Stadt Shivas, des Zerstörers.

 

 

 

Varanasi ist Hardcore-Indien, es stinkt teilweise unerträglich nach Tierkot und Menschenpisse. Eine Stadt der Pilger, der Bettler, der Krüppel, der Brahmanen, der Sadhus und der „Motherfucker“.

 

Dieser Ausdruck stammt nicht von mir. Ich saß an den Ghats am Ufer des Ganges und habe vor mich hin sinniert, als ein junger Mann kommt und sich neben mich setzt.

Eigentlich nicht so ungewöhnlich, die Inder sind in der Regel ja sehr kontaktfreudig. Er fängt an zu erzählen, dass er hier in Varanasi studiert und so weiter, ist natürlich auch an mir interessiert.

Dann sagt er plötzlich: „Be aware, this place is full of bloody motherfuckers, they all want your money“

Aha, danke für den Tipp, das habe ich auch schon bemerkt.

Zwei Minuten später bietet er mir Haschisch, Marihuana und Magic Mushrooms zum Kauf an.

Ok, gut, dass du soviel anders bist...ich muss innerlich fast lachen.

 

Drogen sind hier im Gegensatz zum restlichen Indien legal, angeblich jedenfalls. Um den Religionsfanatikern den Weg in die Ekstase zu erleichtern.

Während des Aufenthalts ist mir auch noch Kokain, LSD und was weiß ich was noch alles angeboten worden. Man hat hier scheinbar die komplette Palette parat.

 

Varanasi ist vor allem für fünf Dinge bekannt:

 

- Die Leichenverbrennungen

- Der goldene Tempel

- Der heilige Fluß Ganges

- Der Sonnenaufgang an den Ghats und

- Die Seidenweberei

 

Also eine schöne Liste, die es abzuarbeiten gilt.

 

Am Samstagnachmittag, nach dem Einchecken im Hotel, möchte ich mich zu Fuß auf den circa 2 Kilometer langen Weg zum Ganges machen. Schon kurz nach dem Hotel werde ich aber natürlich von einem Fahrrad Rikscha Fahrer angesprochen. Er bietet mir an mich zu den Ghats zu fahren, für 50 Rupees. Ich kenne hier die Preise noch nicht, aber das scheint mir vernünftig und außerdem bin ich nicht in der Stimmung wegen ein paar Cent rum zu verhandeln.

Er erzählt mir einiges auf der Fahrt und ich beschließe PK (Pike, Piquet, keine Ahnung wie man seinen Namen schreibt) noch öfter anzuheuern, allerdings möchte ich heute zu Fuß unterwegs sein, an den Ghats kann man eh nicht fahren und so verabreden wir uns für den nächsten Morgen am Hotel. Abfahrt 6:00 !!!

 

Was sind eigentlich die Ghats? Das treppenförmig angelegte Ufer des Ganges. Hinab führend von teilweise imposanten, allerdings praktisch ausnahmslos verfallenden Gebäuden und Palästen.

Die Maharadschas und Könige aus den verschiedenen Teilen Indiens haben sich hier Residenzen bauen lassen um die Festivals in der heiligen Stadt zu besuchen und manchmal auch um hier zu sterben und verbrannt zu werden.

Damit ist nämlich die „Moksha“ garantiert, der Ausbruch aus dem Kreislauf der Wiedergeburt und Eintritt in das Nirwana. Ein schlechtes Karma spielt dann keine Rolle mehr, man hat es geschafft.

Sollte man nicht das Glück haben hier zu sterben, dann kann man immer noch wenigstens hier verbrannt werden. Geht das auch nicht, dann kann man zumindest seine Asche hier in den Ganges kippen lassen. Und wenn alles nix hilft und die Bonuspunkte, die man auf seinem Karma Konto hat auch noch nicht reichen, dann muss man halt noch eine Runde auf dem Lebenskarussell drehen.

 

An zwei Ghats finden die Verbrennungen statt. Öffentlich. Wobei, so ganz stimmt das nicht, vor allem am Manikarnika Ghat kommt eher die Öffentlichkeit zu den Verbrennungen.

 

Ich werde also schon bald von einem Motherfu**** (bzw. nennen wir sie selbsternannte Fremdenführer) angesprochen:

„You wanna see the burning ghats?“

Ja, klar, es wäre gelogen wenn ich verneinen würde.

Er führt mich durch das Labyrinth der Altstadt zu dem oben erwähnten Ghat. Kurz bevor wir es erreichen mehren sich die Stapel mit aufgeschichtetem Brennholz.

Er erklärt mir, dass es nicht erlaubt ist die Verbrennungen aus der Nähe zu fotografieren, aber wenn ich wolle, könne ich. Ich will aber nicht.

 

Am Eingang eines Hauses übergibt er mich an Raoul, der übernimmt ab hier die Führung.

Raoul bittet mich auf das Hausdach von dem man einen guten Überblick über das Geschehen hat.

Er erklärt mir, dass das Haus in dem wir uns befinden zusammen mit zwei umliegenden Häusern ein Hospiz beherbergen, in dem momentan 75 Menschen auf den Tod warten. Er sei einer von 25 Helfern, die sich um sie kümmern. Alles klingt sehr glaubwürdig.

Er zeigt mir die drei Ebenen auf denen die Verbrennungen durchgeführt werden, pro Ebene gibt es mehrere Verbrennungsplätze. Abhängig von der Kaste des Toten (offiziell gibt es zwar das Kastensystem nicht mehr), findet die Verbrennung weiter oben oder weiter unten statt.

Dann gibt es noch einen Verbrennungsplatz für ViPs und einen für Pujas (was immer da verbrannt wird).

 

Er überhäuft mich mit Fakten:

Täglich finden circa 300 Verbrennungen in Varanasi statt (an beiden Plätzen zusammen), pro Körper benötigt man bis zu 140 kg Holz, Sandelholz ist das edelste und teuerste, 9000 Rupees das Kilogramm, normalerweise nimmt man Holz von den Wäldern rund um Kalkutta, 700 Rupees pro Kilo; drei bis dreieinhalb Stunden dauert die Verbrennung, da bleibt dann nichts mehr übrig, die Asche und etwaige Knochenreste werden in den Ganges gekippt.

Schmuck etcetera wird ganz legal von den Arbeitern dort eingesackt, die ausnahmslos der unteren Klasse, den Untouchables, angehören.

Mir brennen die Augen derweil vom hochsteigenden Rauch.

 

Raoul erklärt weiter: Eigentlich kann jeder Hindu hier verbrannt werden, es gibt allerdings fünf Ausnahmen:

Schwangere und Babys: Babys sind rein wie Gott, egal ob sie außerhalb oder innerhalb des Körpers sind.

Sadhus: Diese heiligen Männer leben ihr Leben wie Gott.

Menschen die an einer bestimmten Krankheit gestorben sind: Hier habe ich ihn nicht ganz verstanden, er spricht von leprösen Körpern, weil sie mit ihren Punkten auf den Körpern aussehen wie eine Gottesmutter. Allerdings, haben Leprakranke wirklich Punkte auf dem Körper? Vielleicht meint er eine andere Krankheit.

Ich frage ihn was mit diesen Toten passiert.

"Sie werden mit Steinen beschwert und in der Mitte des Ganges versenkt"

"Kommt das oft vor?"

"Ja, fast täglich"

Es fehlt aber noch die fünfte Kategorie, das sind die Toten, die an dem Biss einer Kobra gestorben sind, die werden an Stämme einer Bananenstaude (die sind angeblich besonders robust) gebunden und man lässt sie den Ganges runtertreiben.

Die Kobra ist doch eine besonders heilige Schlange und Shiva hat sie auch häufig um den Hals hängen. Warum man aber genau dieses Ritual wählt, habe ich nicht rausgefunden.

 

Raoul erklärt mir auch, dass Shiva hier vor 3500 Jahren persönlich seine erste Frau Sati verbrannt hat (andere Quellen sprechen zwar von "nur" dem Ohr) und seither brennt hier durchgehend das Feuer. Er deutet auf eine Feuerstelle am Rande der Verbrennungsstellen: "Shiva's fire !!!".

Von dort holt ein naher Verwandter des Verstorbenen, in der Regel der Sohn, kahlgeschoren und nur mit einem Lendentuch bekleidet, mit etwas Stroh in der Hand das Feuer und bringt es zu dem Leichnam, der in der Mitte des aufgeschichteten Scheiterhaufens liegt. Kopf und Füße schauen heraus, aber natürlich eingewickelt.

Er umrundet den Leichnam fünfmal und entzündet dann den Haufen mit dem brennendem Stroh.

Tränen und Wehklagen sind nicht erlaubt, das stört die Reise des Toten ins Nirwana.

Frauen sind auch nicht erlaubt. Auf meine Frage warum, erklärt er mir, dass es früher manchmal vorgekommen sei, dass Witwen, freiwillig oder gezwungenermaßen, in das brennende Feuer gesprungen sind.

Unten warten bereits die nächsten Leichname, sie wurden auf Bambusbahren durch die schmalen Gassen herangetragen, eingewickelt in bunte Seidentücher, hauptsächlich aber orangefarben. So werden sie noch ein letztes Mal im Ganges gebadet, bevor der Scheiterhaufen errichtet wird.

 

Nach diesem Erlebnis brauche ich erstmal ein bisschen Auszeit um das Geschehene zu verarbeiten, beziehungsweise meine Gefühle zu sortieren.

Eigentlich kann ich gar nichts Schlimmes an den Verbrennungen finden. Bei uns fährt halt ein Sarg in einen Schacht im Krematorium und der Verbrennungsvorgang dauert kürzer, alles ist halt effektiver und steriler, deutsch eben, aber gibt es einen großartigen Unterschied in der Sache?

 

Ich kann keinerlei Abscheu, Grusel oder gar Ekel empfinden. Einzig die Szenerie drum herum wirkt absurd, Kühe laufen überall rum, Hunde streunen zuhauf, es ist schmutzig und vermüllt, wie überall in der Stadt, wie eigentlich überall in Indien. Ich hätte diesbezüglich vielleicht etwas mehr "Würde" erwartet, aber das sind halt wieder meine westlichen Vorstellungen.

Ich spaziere entlang der Ghats und stoße irgendwann auf das zweite Verbrennungsghat.

Hier ist das Ganze schon öffentlicher, meines Erachtens zu öffentlich. Überall sitzen Leute rum und wenn man weitergehen will bleibt gar nichts anderes übrig als direkt unmittelbar an den Verbrennungsstellen vorbei zu gehen. Es ist inzwischen dunkel geworden und aus einem Feuer sieht man zwei verkohlte Arme in die Höhe ragen, anscheinend bewirkt das Feuer für kurze Zeit diese Haltung, wenn das Tuch, das um den Toten gewickelt war weggebrannt ist. Dazu kommt jetzt auch der entsprechende Geruch, als wenn man Fleisch auf dem Grill vergessen hat. Klar, natürlich, ich habe mich vorhin schon gewundert, warum man nichts riecht, aber jetzt scheint der Wind anders zu stehen.

Alles in Allem eine sehr bizarre Situation deren Bild sich in mir eingebrannt hat.

 

Ich mache mich auf in Richtung Hotel, heuere eine Fahrrad-Rikscha an, habe zwei Tüten Chips und zwei Bier im Rucksack, das muss heute als Abendessen reichen.

Allerdings ist zur Zeit Shiva Festival und die Straßen sind voll mit orangefarbenen Pilgern. Es ist ein unbeschreibliches Chaos. Man stelle sich das Münchner Oktoberfest vor und addiere noch ein paar tausend Motor- und Fahrrad-Rikschas, Mopeds und Fahrräder, dann erhält man ungefähr was sich hier auf den Straßen abspielt.

Ein Bangalori hat mir letztens glaubhaft versichert, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Bangalores Straßen in der Rush Hour 12 km/h beträgt. Von diesen Geschwindigkeiten kann man hier nur träumen...

 

Am Sonntag früh holt mich PK, wie ausgemacht, schon um 6:00 morgens vor dem Hotel ab. Schließlich soll der Sonnenaufgang an den Ghats besonders schön sein.

 

Nachdem ich mich allerdings frühzeitig aus dem Bett gequält habe, ist mir beim Rasieren der einzige Klingenschwingkopf abgebrochen. Na super, das sieht ja toll aus, die Hälfte des Gesichts ist rasiert. Umständlich versuche ich mir die restlichen Haare nur mit der Klinge wegzukratzen. Manchmal frage ich mich bei solchen Gelegenheiten, ob ich eigentlich der einzige bin, dem sowas passiert...

 

Trotz der Panne stehe ich um Punkt sechs vor der Hoteltür. PK ist sichtlich erleichtert, es scheint nicht so die Regel zu sein, dass sich Klienten an Abmachungen halten. Unsere Abmachung ist, dass er ab sofort mein persönlicher Fahrrad Rikscha Fahrer und Varanasi Guide ist. Der Preis dafür beträgt 500 Rupees, gut 6 Euro...pro Tag !

 

Er bringt mich zu einer der vielen Bootsanlegestellen der Ghats, natürlich zu einem Bekanntem von ihm, aber das ist ok, so funktioniert das eben.

Der wiederum rudert mit mir fast drei Stunden lang auf dem Ganges die Ghats rauf und runter, inklusive Erklärungen an welchem Ghat welcher Palast zu welchem Maharadscha gehört usw.

 

Irgendwann denke ich mir, Fahrrad Rikscha Fahrer ist schon ein Scheiß-Job, aber Touristen auf dem Ganges Rumruderer ist noch schlimmer.

Am Mahiharnika Ghat gibt es einen Extrahalt um den Verbrennungen mal vom Fluss aus zusehen zu können. Das gehört halt zum Programm, aber langsam reicht mir der Anblick.

Ich werde im Laufe der Tage noch -zigfach angesprochen:

"Have you seen the burning ghats" / "shall I show you the way to the cremation ghats" usw.

Tja, Nachfrage schafft halt Angebot und das scheint halt die Hauptattraktion unter den Touristen zu sein. Ich werde kein einziges Mal gefragt: "Wanna see the golden temple?".

 

Zurück am Ausgangspunkt erwartet mich schon PK und bringt mich erstmal in ein Restaurant zum Frühstücken, wird auch höchste Zeit.

Nachher geht es in eines der Moslemviertel, Seidenweberei steht auf dem Programm.

Ich sehe wie die Schablonen für die bunten Saris und Schals aus Pappe hergestellt werden und wie sie dann in den automatischen Webstühlen verwendet werden.

Ich sehe Leute mit der Hand weben wie zu Gandhis Zeiten, wenige Zentimeter am Tag.

Ich sehe den Schneidern zu, wie sie aus den Stoffen dann Saris fertigen, auf dem Boden sitzend, in Werkstätten in denen man sich kaum umdrehen kann.

Alles sehr interessant, und es endet natürlich, wie zu erwarten, in der Verkaufsabteilung, ist ja auch ok.

Ich erfahre, dass die Seidenweberei ausschließlich von Moslems betrieben wird und auf Nachfrage erklärt man mir, es sei aus Tradition, man könne das Handwerk nirgends lernen, es würde ausschließlich innerhalb der Familie weitegegeben werden.

 

Ich lerne den Chef der, ja man kann es fast schon Seidenwebereifabrik nennen, immerhin beschäftigt er circa 700 Leute, kennen. Während ich mit ihm Tee trinke klingelt sein Handy. Seine Tochter ruft an und ich bemerke plötzlich, dass er in seinem Hindi-Englisch-Mix anfängt mich zu beschreiben. Schließlich sagt er zu mir:

"May I ask a favour of you..."

Er erklärt mir, dass seine Tochter in ein Internat geht und dort würden sie im Rahmen eines Schulprojekts einen Europäer für ein Interview suchen und ob ich mich bereit erklären würde.

Na klar, warum nicht.

 

Er fährt mich also mit seinem Auto zu der Schule und übergibt mich, nachdem alle Formalitäten erledigt sind, so leicht kommt man nicht in eine indische Privatschule, dem Principal, der Frau Direktorin.

Bald merke ich, dass hier niemand daran interessiert ist meine Lebensgeschichte zu erfahren, vielmehr dreht die Schule, im Rahmen eines Wettbewerbs zwischen mehreren Schulen, einen Film in dem anscheinend an einer Stelle ein Schweizer Bankdirektor über die Gepflogenheiten seiner Bank bezüglich der Herausgabe der Kundendaten interviewed wird.

Und diese Rolle musste besetzt werden...mit mir!!!

Kurzerhand treibt man irgendwo ein Sakko und eine Krawatte auf damit ich wenigstens ein bisschen mehr nach Bankdirektor ausschaue. In der Zwischenzeit gibt man mir meinen Text zum Lernen.

 

Und dann geht es auch schon los. Ich sitze standesgemäß im Büro der Direktorin, mir gegenüber ein Mädchen in Schuluniform das mich interviewed. Außer uns befinden sich noch der Kameramann, die Direktorin, zwei weitere Schüler und der Tee und Keksbringer im Büro...langsam wird es eng.

Ich setze durch, wenigstens einen Teil meines Textes ablesen zu dürfen, schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste und kann mir nicht mehr soviel merken...:-)

Die Direktorin ist ziemlich fordernd: zu schnell, zu langsam, zu wenig betont, anderer Kamerawinkel, ad hoc Textänderungen....das ist ja echte Knochenarbeit, macht aber wirklich sehr viel Spaß und die Atmosphäre am "Set" ist hervorragend.

Schließlich ist sie zufrieden (oder gibt auf) und ich werde nach viel Händeschütteln wieder entlassen. Vorher lasse ich aber noch meine Visitenkarte da, ich möchte schließlich informiert werden, wie "unser" Film abgeschnitten hat.

 

PK, der arme Kerl hat die ganze Strecke rausradeln müssen, wartet schon auf mich um mich ins Hotel zu bringen.

Ich gebe ihm auch den Rest des Tages frei, ich möchte mich auch etwas ausruhen und dann nochmal zu Fuß los.

 

Abends versuche ich dann mal alleine mein Glück im Labyrinth der Altstadt. Es ist inzwischen dunkel und in jeder anderen Ecke der Welt hätte ich jetzt wahrscheinlich ein mulmiges Gefühl, nicht aber in Indien. Ich habe zwar an der Wand eines "Stay-Houses" ein Schild hängen sehen:

"The city is not safe in the night, please ensure you are back after 10 pm", aber erstens ist es noch nicht zehn Uhr abends und zweitens bin ich mindestens einen Meter größer als der Durchschnittsinder und circa dreimal so schwer. Wenn ich mich grün anmalte, glaubte man wahrscheinlich Hulk wäre hier... oder gar Shrek...:-)

 

Als ich schließlich aus dem Gewirr der Gässchen wieder rausfinde, befinde ich mich wieder an der Verbrennungsstätte, diese Stelle scheint eine besondere Anziehung auf mich zu haben.

Jetzt gibt es nur noch ein Essen in einem Roof-Top Restaurant und dann ab ins Bett.

Zu meiner Überraschung werde ich gefragt, ob ich zum Essen ein Bier wolle. Na klar, es gibt zwar kein Kingfisher, aber irgendein "super extra strong beer". Auf der Rechnung erscheinen die zwei Biere dann auch als: "B-chicken masala". Man erklärt mir, man habe hier keine Lizenz zum Bierverkauf und eine Kopie jeder Rechnung ginge an die Behörden.

 

Den nächsten Morgen wollen wir es etwas ruhiger angehen lassen. Abfahrt um 8:00 ist geplant, gleich als erstes soll es in den goldenen Tempel gehen.

Allerdings werde ich schon von PK begrüßt mit "Golden temple is not possible today!"

"Aha, und warum?"

"Wegen des Shiva Festivals sind alle Straßen voller Pilger und alle wollen zum goldenen Tempel, für Nicht-Hindus besteht heute keine Chance"

Na gut, als Alternativprogramm bietet er mir einen Buddhistentempel etwas 15 Kilometer außerhalb der Stadt an.

"Ok, und wie kommen wir da hin?"

"No problem, Sir, I'm a strong man"

So tritt er also in die Pedale während ich es mir auf dem Rücksitz der Rikscha bequem mache. Es hat schon Vorteile, wenn man auf der Sonnenseite des Lebens geboren ist :-)

 

Zwischendurch gibt es noch eine Teepause und schließlich kommen wir in Sarnatha an.

Wie sich herausstellt ist das viel mehr als nur ein Tempel, vielmehr befindet sich dort eine Ausgrabungsstätte eines alten Buddhistenklosters und ein Museum.

Wie ich erfahre, ist das ein sehr wichtiger Ort im buddhistischen Glauben. Hier soll Buddha das erste Mal Regeln und Gesetze gepredigt haben, nach dem er die Erleuchtung erfahren hatte und sozusagen von Siddhartha zu Buddha wurde.

Er predigte hier zu seinen ersten fünf Anhängern und hat damit das "Rad des Gesetzes" (ein wichtiger Buddhisten Symbolismus) angestoßen.

Leider darf man in das Museum mal wieder weder Kamera noch Handy mitnehmen.

 

Nachmittags hat mich PK dann ins Hotel gebracht, ich wollte mich umziehen bevor es mal wieder an den Ganges geht. Bei der vorherrschenden Temperatur (>35° Celsius) und vor allem Luftfeuchte (>95%) ist man im Nu durchgeschwitzt. PK hat gemeint, ich solle mich eine Stunde ausruhen, mir aber angedeuted, dass er es ist, der eine Pause braucht. Ich tue ihm den Gefallen.

 

Als wir wieder aufbrechen habe ich unter der Hose mal vorsichtshalber eine Badehose angezogen. Irgendwie geht mir die Idee ja schon irgendwie im Kopf um, mal im heiligen Ganges zu baden, aber wenn ich mir vorstelle, was in der Drecksbrühe sonst noch alles so rumschwimmt...

Ich werde soweit gebracht bis die Straßen endgültig für alle Fahrzeuge gesperrt sind und auch die Schleichwege nichts mehr nutzen und gehe von da an zu Fuß weiter.

PK schicke ich für den Rest des Tages nach Hause.

Es zieht sich immer noch eine sauber aufgereihte Schlange von Pilgern durch die Stadt, die alle in den goldenen Tempel wollen.

Es nähert sich ein Motherfu**** und will mir erzählen, dass er einen VIP-Bypass-Eingang zum goldenen Tempel kennt, ich solle ihm folgen. Mach ich natürlich nicht, ich wimmle ihn ab.

 

Am Ganges angekommen setze ich mich auf die Stufen eines Ghats und schaue dem Treiben zu. Viele Hindus sind natürlich, wie zu jeder Stunde, im Wasser, manche waschen sich, manche planschen nur, manche beten und führen Rituale durch.

 

Soll ich auch rein? Verführerisch klingt es ja schon, einmal im Leben im Ganges zu baden, das hätte schon was. Ich habe gelesen, dass die bei uns gültigen Grenzwerte für Koli-Bakterien hier um das zigtausendfache überschritten werden.

Wie groß ist also die Chance mit einem nicht indischen Immunsystem hier überhaupt wieder lebendig herauszusteigen.

Auf der anderen Seite wäscht das Gangeswasser alle Sünden auf einen Schlag ab.

Verlockender Gedanke, aber gilt das überhaupt auch für römisch-katholische Sünden?

Egal, raus aus den Klamotten und rein ins Wasser und untertauchen, wenn dann schon richtig.

Das Wasser ist angenehm, nicht wirklich kühl aber doch ein wenig erfrischend. Ein bisschen rumplantschen und dann geht es wieder raus zum Trocknen.

 

Während ich so dasitze kommt schon der nächste Motherfu**** angeschlichen, den kenne ich schon von Samstag abend.

Er stellt die selben Einstiegsfragen, woher ich komme, wann ich in Varanasi angekommen bin, in welchem Hotel ich wohne.

Ich sage ihm, dass ich ihm das alles schon erzählt hätte und wieviele Leute er denn eigentlich am Tag anspräche.

Er sagt, es gäbe halt viele Touristen und ob er mir seinen Verkaufsladen zeigen dürfe.

Ich schnauze ihn an, dass ich ihm schon mindestens fünfmal gesagt hätte, dass ich an seinem Drecksladen nicht interessiert bin.

"Oh, German man is getting angry..." er scheint sich also doch an mich erinnern "...I think I better go".

German Man hat noch gar nicht angefangen angry zu werden. Ich bin ja wirklich ein ausgeglichener, ruhiger Mensch, aber diese Kerle sind die Pest.

 

Getrocknet und wieder angezogen mache ich mich auf zum Roof Top Restaurant des Vortages. Heute habe ich mir ja wirklich ein Bier verdient. Ich erzähle dem Wirt auch gleich dass ich im Ganges gebadet habe. Darauf meint er: "Oh, you are really a lucky man" :-)

 

Noch vor Sonnenuntergang geht es zurück ins Hotel, heute wird mal früh geschlafen, PK ist am nächsten Tag auf 5:30 bestellt. Schließlich fehlt mir der goldene Tempel noch auf meiner Varanasi-to-do-Liste.

 

Mit nur ein paar Minuten Verspätung bin ich auch abfahrbereit. Der Plan ist, dass mich PK zum Bootssteg bringt, dann werde ich an eine Anlegestelle in der Nähe des Tempels gerudert und schließlich zum Tempel geführt.

Überall ist Polizei. Ich muss meinen Rucksack, mein Handy, meine Kamera wegsperren, dann darf ich durch die Sicherheitskontrolle. Allerdings folgt darauf eine herbe Enttäuschung, der Zutritt zum Tempel ist nur Hindus erlaubt, man kann von einem Punkt aus lediglich das Dach des Tempels bewundern.

 

Der Führer erklärt mir, dass es aus über 900 kg reinen Goldes besteht und dass es damals (wann auch immer) vom König von Punjab gestiftet worden ist.

Gut, ich glaube ihm das jetzt einfach mal, das erklärt auch die Anwesenheit der vielen Polizei. Der Führer behauptet zwar der Grund hierfür wäre eher die angrenzende Moschee und die Ausschreitungen die vor 20 Jahren zwischen Hindus und Moslems stattgefunden haben.

Auch das glaube ich ihm.

 

Ich habe jetzt beschlossen, dass alles irgendwie wahr ist wenn man es nur fest und oft genug behaupted und genügend Menschen daran glauben. Letztendlich kann es doch viele Wahrheiten geben. Einige davon stammen von den Geschichtsschreibern, einige andere von den Geschichtenerzählern.

Man muss eine Geschichte nur oft und penetrant erzählen, dann wird sie irgendwann wahr.

Deswegen ist Shiva genauso auf der Welt gewandelt wie Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, deswegen war Alexander der Große ein unbesiegbarer Held und Nostradamus konnte die Zukunft voraussagen. Und wenn mal genügend Leute daran glauben, hat auch Flash Gordon Kaiser Ming besiegt.

Eindeutige Wahrheiten sollte man den Naturwissenschaften überlassen, da ist alles deterministisch.

Obwohl, wie war das mit dem Welle-Teilchen Dualismus des Lichts? Mal so, mal so.

Oder der Quantentheorie? Wenn man hinschaut sieht man was anderes als man sehen würde wenn man nicht hinschaute, wegen der Wechselwirkung mit dem Hinschauen.

Ist das alles EINE Wahrheit?

 

Wurscht!

 

Der Flieger landet gleich in Bangalore...morgen ist wieder Alltag...

 

 

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