Wer die Orte Coorg und Kabini sucht wird allerdings vergeblich suchen.
Kabini ist ein Fluss, der zu einem Trinkwasserspeicher aufgestaut wird und die Gegend rund um den Speichersee ist als Kabini Resort bekannt.
Coorg ist eine Provinz in den WesternGhats mit mehr als 4000 km², die aber komplett im Bundesstaat Karnataka liegt.
Als erstes mal wieder kurz die Zusammenfassung der Tour:
824 Kilometer in 2 Tagen, was mit Red Lady eindeutig zu viel ist. Man kann die Sitzposition nur sehr schlecht variieren und irgendwann tut halt der Allerwerteste weh. Meines Erachtens noch schlimmer ist aber auf die Dauer der Lenker, nichts für so lange Touren und meine Hände schmerzten schon ziemlich bald.
Aber genug gejammert, ansonsten war es ein toller Ausflug. Den Regenkombi habe ich trotz der Monsunzeit nicht gebraucht, aber das ist ja eine alte Motorradfahrerweisheit, den Kombi braucht man immer dann am nötigsten, wenn man ihn nicht dabei hat. Stattdessen hätte mir Sonnencreme gut getan, wer hätte das gedacht...aber so gab es halt mal wieder eine rote Nase.
Freitag Abend habe ich mir den Wecker für Samstag früh 5 Uhr gestellt...na, ob das klappt.
Aber siehe da, man muss nur den inneren Schweinehund überwinden, pünktlich um 6 steht das Motorrad fertiggepackt und abfahrbereit vor der Türe.
Allerdings führt grad ein indischer Nachbar seinen Dackel Gassi und ist sehr interessiert.
¨Where do you wanna go?¨
¨Coorg¨
¨Aah, and where there? I´m from Coorg, I have a real estate there, I plant coffee¨
Tja, die Welt ist klein, so hat er mir also noch ein paar Tipps mit auf den Weg gegeben, aber meine Route stand ja schon mehr oder weniger fest.
Dank der frühen Stunde war der Verkehr ein Traum und zweieinhalb Stunden später war ich schon in Mysore. Dort gab es dann erst mal ein Fotoshooting mit der Enfield vor dem noch geschlossenem Palast.
Weiter ging´s in Richtung Kabini und auf dem Weg dorthin ist mir brühwarm eingefallen, dass ich mein Handyladekabel zuhause vergessen habe. Also bei nächster Gelegenheit Tee Pause und fragen ob es irgendwo ein Ersatzkabel zu kaufen gibt, hoffentlich versteht mich jemand, ohne mein Handynavi bin ich nämlich lost.
Tatsächlich ist am Tee Stand einer der ganz passabel Englisch spricht und mir nicht nur erklärt wo ich eins kaufen kann, sondern kurzerhand auf sein Moped steigt und vor mir herfährt, aber erst nachdem wir gemütlich unseren Tee leer getrunken haben versteht sich.
Kurz vor Mittag bin ich dann auch schon am Kabini Stausee, so dass ich mir locker noch einen Abstecher ins Orange County Resort leisten kann, einer Hotelanlage in Kabini, die eigentlich sehr bekannt ist und ich wollte mal sehen wo und wie die so liegt.
Auf den Weg dorthin sind mir Unmengen an Kindern entgegengekommen, die Samstagsschule war anscheinend gerade zu Ende.
Trotzdem war die Menge der Kinder schon beeindruckend, Kabini muss anscheinend ein sehr fruchtbares Eck Indiens sein..:-)
Und alle winken und viele rufen irgendwas, eigentlich immer das Gleiche, was kann man schon großartiges loswerden in den 3 Sekunden, die meine Vorbeifahrt dauert.
¨How are you?¨
¨Where do you come from?¨
¨What´s your good name?¨ (Typisch indische Frage nach dem GOOD name)
Oder auch einfach nur ¨Name?¨, ¨Country¨ etc. und das hundertfach.
Plötzlich fahre ich an einem Jungen vorbei, auch der strahlt und winkt wie die anderen und wirft mir ein ¨Are you happy?¨ zu.
Cool, das reicht schon wieder um mich die nächsten Minuten gedanklich zu beschäftigen.
Am I?
Ich beschließe, dass glücklich sein eh kein Dauerzustand sein kann, nur eine Momentbeschreibung. Zufrieden ist wohl das passendere Wort für einen Dauerzustand. Ich stecke mir Ohrhörer mit guter Rockmusik von Axel Rudi Pell rein und genieße den warmen Fahrtwind der mir um die Nase streicht und die gerade mal gute Straße und die Dschungellandschaft.
I´m probably very close to being extremly happy at the moment...:-)
Da sehe ich plötzlich einen Elefant direkt neben der Straße stehen. Ich traue meinen Augen nicht, bleibe stehen. Minutenlang bin ich alleine mit ihm, anscheinend ist er gerade erst aus dem Dickicht aufgetaucht. Kein besonders großes Exemplar aber anscheinend schon erwachsen, zumindest sind die Stoßzähne gut ausgebildet.
Freundlich schaut er aus, fast fröhlich. Er ist ca. 20 – 30 Meter weg, näher traue ich mich nicht hin.
Dann taucht auch schon das erste Auto auf und hält an, es folgen bald noch mehrere, alle zücken ihre Fotoapparate, der magische Moment ist vorbei, ich bitte einen Inder noch ein Beweisfoto mit meinem Handy zu machen und dann mach ich mich weiter auf in Richtung Madikeri, das ist mein Ziel für die Nacht.
Die Fahrt dorthin zieht sich noch ziemlich und langsam fange ich an müde zu werden, stelle mir ein schönes Hotelzimmer vor...da fällt mir plötzlich schlagartig ein, dass ich nicht nur mein Handyladekabel, sondern auch noch meinen Reisepass zuhause liegen lassen habe. Na Mahlzeit, hoffentlich kann ich irgendwo einchecken, die nehmen es hier meistens ziemlich genau mit den Daten.
In Madikeri angekommen suche ich gleich das erste Hotel auf. Ein Zimmer ist frei, ich gestehe gleich mal, dass ich mich nur mit dem Führerschein ausweisen kann.
Sofort werde ich darauf hingewiesen, dass sie aber verpflichtet sind die Daten aus dem Pass aufzunehmen...nutzt ja nix, ich kann ihn mir ja nicht aus der Nase ziehen. Nach einem Anruf beim Manager und meinem Versprechen gleich am Montag als allererstes eine Kopie zu mailen, darf ich mir ein Zimmer ansehen. Bescheiden und für meinen Geschmack eigentlich dafür zu teuer, aber ich werde den Teufel tun und riskieren am Ende gar kein Zimmer zu haben.
Der Hotel Boy (Boy ist sehr schmeichelhaft, gefühlt steht er kurz vor der Rente) ist sehr bemüht und bringt mir die Speisekarte und anschließend das Essen aufs Zimmer. Selbst zum nächsten Schnapsladen fährt er um mir zwei Bier zu holen.
Am nächsten Morgen lasse ich ihm auch ein paar Rupees mehr als sonst am Nachtisch liegen, mit dem Erfolg, dass er mir zum gepackten Motorrad nachläuft: ¨Sir, you forgot your money¨ Unglaublich, oder? Als ich ihm gesagt hab, dass das für ihn ist, hat er aber schön gestrahlt....:-)
Bevor ich Madikeri verlasse mache ich aber erst mal noch eine kleine Stadtrundfahrt und entdecke dabei das Fort, das allerdings nicht wirklich in gutem Zustand ist. Nichtsdestotrotz wird es nachwievor benutzt, einige Leute wohnen da, es gibt einen kleinen Shiva Tempel und das Palasthauptgebäude wird als städtisches Büro genutzt.
Als ich mich dann auf den Weg mache Richtung Norden, stelle ich überrascht fest, dass die Straßenqualität hervorragend ist. Super Belag, viele Kurven, so ala österreichische Alpenstraße. Ich setze also freiwillig meinen Helm auf und kann das erste mal so ein bisschen Schräglagenverhalten der Lady testen.
Macht richtig Spaß, vor allem weil der Verkehr sehr überschaubar ist am Sonntagvormittag.
Ich werde ja immer wieder darauf angesprochen, ob es denn nicht sehr gefährlich sei am indischen Verkehr teilzunehmen. Anfangs dachte ich das ja auch, aber inzwischen habe ich mehr als 13 000 indische Kilometer mit den beiden Bikes absolviert und einiges hat sich relativiert. Motorradfahren ist nicht ungefährlich, keine Frage, nirgends auf der Welt. Ich glaube aber, dass die Wahrscheinlichkeit in Deutschland einen Unfall zu erleiden, der langfristig Auswirkungen auf das Leben hat (falls was davon übrig ist), größer ist als hier in Indien. Und trotzdem habe ich auch in Deutschland keine Angst Motorrad zu fahren. Und hier in Indien muss man sich halt einfach an einige Regeln halten, z.B. dass man am besten den Bussen aus dem Weg geht, die sind meines Erachtens die einzig wirkliche Gefahr, in Bangalore kommen noch die Wassertrucks dazu.
Bei meinen 13 000 Kilometern hatte ich 4 "Feindberührungen", einmal ist mir ein TucTuc hinten aufgefahren, einmal ein Auto, einmal hat mich ein TucTuc am Vorderreifen touchiert, einmal ein Kleinwagen am Auspuff. Viermal habe ich eine gscheite Schimpftirade losgelassen und bin schließlich weitergefahren. Kein einziges Mal war auch nur eine annähernd gefährliche Situation dabei. Man fährt hier einfach langsamer und das macht extrem viel aus.
Letztens hatte ich doch Sylvie heimgebracht nach dem Schumann Konzert in der Alliance Francaise. Sie hat anschließend zu mir gesagt: "You drive very fast, but I didn't feel one moment unsafe"... und das "fast" bezog sich relativ auf indische Geschwindigkeiten...
Apropos fühlen, vor einigen Wochen war in Palm Meadows ein Vortrag über emotionale Intelligenz. Sehr interessant und ich glaube das Thema wird auch immer mehr eine Rolle spielen.
Jedenfalls endete die Sprecherin mit den Worten:
"People will forget what you say; people will forget what you do; but people will always remember how you make them feel"
Das ist doch ein schöner Satz fürs persönliche Poesiealbum...
Aber zum Abschluss hat sie uns noch die Hoffnung mit auf den Weg gegeben, dass man seinen emotionalen Intelligenzquotienten positiv beeinflussen kann. Im Gegensatz zum kognitiven, der steht mit der Pubertät fest und dann ist nix mehr zu machen.
Oder mit anderen Worten: "Wennsd a Deppal bist hast halt Pech g'habt, wennsd a Depp bist, bist selber schuld :-)"
Jetzt aber zurück zum Ausflug.
Ich fahre an einem Schild vorbei, das in Richtung Mallalli Falls zeigt, 8 Kilometer ab meiner eigentlichen Route. Den Abstecher nehme ich noch mit, schließlich sind Wasserfälle doch immer schön anzuschauen.
Die Straße wird allerdings zunehmend schlechter, die letzten 3 Kilometer sind eigentlich nur mit einer Enduro zu bewältigen, nichtsdestotrotz stellen sich die Enfield und ich der Herausforderung.
Am Wasserfall sind dann auch 15 Rupees Eintritt zu bezahlen und man hat nur die Möglichkeit von oben auf die Fälle zu schauen, nach unten müsste man laufen, was sicherlich reizvoll wäre, aber leider nicht im Zeitbudget ist.
Ich treffe eine ganze Truppe junger Inder und wie immer wollen sie sich mit mir fotografieren lassen. Dieses mal habe ich aber starke Konkurrenz, sie sind mindestens genauso erpicht darauf ein Foto mit meiner Enfield zu machen...
Der Rest des Weges war sehr schön, ich weiche von meiner ursprünglich geplanten Route ein bisschen ab, weil ich lieber auf den Straßen mit den besseren Belägen bleibe. Ab Cannarayapattana geht es dann auf den National Highway 48, den ich schon von meiner Kap Umfahrung kenne und bei dem ich wusste, dass er extrem gut (2-spurig) in Schuss ist. Das bedeutet aber nur die letzten 100 Kilometer "abzusitzen", Spaß macht das nicht mehr, vor allem weil halt Hinterteil und Unterarme permanent kundtun, dass sie eigentlich lieber schon zuhause wären.
Dann noch quer durch die Stadt und eigentlich wäre ich locker früh genug daheim um den Holländern gegen Mexiko im Achtelfinale zuzusehen. Ich entscheide mich aber doch lieber fürs Bett, schade eigentlich, war ja scheinbar ein "close shave" für die Niederländer, wäre schon spannend gewesen...
Heute Abend geht's dann wieder in die Biere Street dieses Mal für das Frankreichspiel. Eric muss mich wegen einer verlorenen Wette den Abend freihalten :-)
Deutschland spielt mir leider zu spät...mal schauen, wird schon gutgehen, auch wenn ich nicht zuschau...
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