Biere Street and more

 

So, Vorrunde aus, durchschnaufen.

 

Ich bin ja eigentlich nicht wirklich der große Fußballfan und ohne gelegentliche fachliche Updates der Jungs wäre ich eh ziemlich lost, aber trotzdem macht's nachwievor Spaß zuzuschauen.

  

Die Zeiten sind erträglich solange es sich um das erste Spiel des Tages handelt, sprich Anpfiff 21:30 Indian Standard Time.

 



So war es ja beim ersten Deutschlandspiel gegen Portugal und die deutsche Botschaft hatte zum Public Viewing ins Taj Vivanta Hotel eingeladen.

Just in dieser Woche war mal wieder Christian, ein Kollege aus Deutschland auf Businessreise in Bangalore und ich hab ihm natürlich Bescheid gesagt, ob er denn mitkommen wolle.

Natürlich wollte er, aber er hatte halt noch 3 spanische Kollegen im Schlepptau, die auch mit wollten (zu dem Zeitpunkt waren sie ja noch optimistisch ob des weiteren Turnierverlaufs).

Ein indischer Kollege wollte mich auch gerne begleiten, so habe ich also in der Botschaft angerufen, ob denn der Event ausschließlich den deutschen Staatsbürger vorbehalten sei. Auskunft: "No problem, everybody is welcome..."

 

Also sind wir mit zwei Autos dort aufgeschlagen und der Abend war dann auch wirklich sehr schön. Außer kostenlosen Snacks gab es auch noch Kingfisher Freibier und damit hat man wahrlich nicht gegeizt. Selbst während des Spiels sind ständig Hotelangestellte mit großen Krügen rumgelaufen und haben dafür gesorgt, dass die (Plastik-) Becher niemals leer werden... Ich hab mein Bestes gegeben, der 4:0 Torrausch machte ja auch Feierlaune, aber ich hab's nicht geschafft, die Auffüller waren immer schneller als der Austrinker...:-)

 

 

Public Viewing im Taj Vivanta
Public Viewing im Taj Vivanta

 

Das Ghana Spiel ging dann konditionell schon an die Grenzen, Anpfiff eine halbe Stunde nach Mitternacht...die Jungs hatten das locker weggesteckt, sie mussten ja nicht mehr zur Schule, ich bin aber wohl zwischendurch immer mal wieder auf der Couch weggenickt...

 

Und gestern schließlich das letzte Vorrundenspiel gegen die Kliensmanntruppe. Kathrin und die Jungs sind ja in der Nacht von vergangenem Sonntag auf Montag zurück nach Deutschland geflogen, also musste Eric als Kompagnon herhalten, alleine schauen macht ja keinen Spaß. Kein Problem, sein Herz schlägt zwar natürlich französisch ("Allez les bleus"), aber die Aussicht auf ein T-Bone Steak und selbstgebrautes Bier in der Biere Street haben genügend Überzeugungsarbeit geleistet.

 

Es gibt ja in Bangalores Zentrum den Biere Club, dort wo monatlich der Stammtisch der deutschen Expatriates stattfindet, den ich by the way schon lange nicht mehr besuche, irgendwie rechtfertigt der Aufwand die ganze Sache nicht...

Und dieses Lokal hat jetzt einen Ableger eröffnet, ganz in der Nähe von Palm Meadows, eine kleine Flaniermeile, genannt "The Biere Street", wo eben zur WM eine Leinwand zum öffentlichem Fußballkucken installiert wurde.

 

Das Publikum war vornehmlich indisch, das hätte ich eigentlich nicht so erwartet, das Spiel ausgesprochen langweilig (das habe ich erwartet), aber Steak und Bier hervorragend, allerdings muss ich da noch mal investigieren, der Kellner hat mich gewarnt, das Ale wäre sehr stark, deswegen hab ich vorsichtshalber das Lager gewählt, aber auch das war nicht ohne... irgendwie tun die Inder momentan noch ein bisschen viel Alkohol in ihren neuen Sudkessel...:-)

 

Am Wochenende jährt sich meine Ankunft hier in Indien. Letztendlich ist es rückblickend dann doch sehr schnell vergangen, aber ist das nicht immer so?

 

Ich habe allerdings nicht vor das "einjährige" großartig in Bangalore zu feiern, sondern plane eigentlich eine Motorradtour übers Wochenende in die Western Ghats. Dann gibt's vielleicht auch wieder mal einen Blog mit Bildern... aber jetzt schaun mer mal, eigentlich ist ja schon Regenzeit, auch wenn die Regenfälle hier noch sehr überschaubar sind.

Es gab auch schon Spekulationen in der Zeitung dass der Monsun heuer sehr schwach ausfallen wird, weil wir anscheinend wieder ein El Nino Jahr haben... aber die Wetterprognose hier ist eh unzuverlässiger als das Horoskop.

 

Es soll mein erster Ausflug mit Red Lady werden, bisher hat sie ja nur die Straßen in und um Bangalore kennengelernt. Gestern war ich mit ihr bei der 3000 km Inspektion und das war mal wieder sehr indisch.

 

Shekar hat mich morgens beim Enfield Händler abgeholt und ins Büro gebracht. Abends umgekehrt und just als wir das Geschäft erreichen wird mein Motorrad rausgeschoben, frisch überholt und poliert, Kennzeichen KA für Karnataka und hinten raus 8503, den Rest kann ich mir nicht merken.

 

Ich bin ins Werkstatt Büro gegangen um zu bezahlen, bzw. die Papiere fertig zu machen und bin da nach dem Kennzeichen gefragt worden. Ich habe meine Zulassungskarte rausgezogen und, siehe da: KA01HD8429.

Häh..ich bin also 4 Monate und 3000 km mit der falschen Nummer rumgefahren und niemand hat es gemerkt, noch nicht mal bei der ersten 500 km Inspektion.

 

Shekar hat natürlich sofort die Initiative ergriffen, als wir zuhause waren hat er die Schilder abgeschraubt (es war in zwischen nach 18:30) und sich auf den Weg gemacht. Ich hab ihn noch darauf aufmerksam gemacht, dass er bitte um 19:45 da zu sein hat um mich in die Biere Street zu bringen, aber es kam nur das übliche "No problem Sir"... und tatsächlich, eine Stunde später hatte ich neue Schilder (Mehrzahl ist schon richtig, hier haben die Motorräder ja auch vorne und hinten ein Schild) dran, mit der richtigen Nummer. Keine Ahnung wie das zu ging, aber wir wissen ja, "everything is possible in India"

 

Letztes Wochenende war dann noch die Hochzeit eines Kollegen in einem netten Hotel, zu der wir als komplette Familie (inklusive Eric ;-) auch eingeladen waren. Eine gute Gelegenheit die Lederhosen mal wieder auszuführen. Eingeladen war auf 7 Uhr und wir waren um 7 Uhr da...allerdings fast alleine...gegen 8 fing es so langsam an, dass die Gäste verstärkt kamen. Ich habe das natürlich bei einem Gespräch mit Kollegen, die auch dort waren erwähnt, allerdings wurde nur belustigt geantwortet: ¨Michael, how long have you been to India now? You should know that no Indian will show up at the mentioned time...¨ Wo sie Recht haben, haben sie Recht...

 

 

Das Brautpaar, das Lustige daran: Er heisst Sony...sie heisst auch Sony :-) und, wie Eric richtig bemerkt hat, sogar die Kamera mit der sie gefilmt wurden...
Das Brautpaar, das Lustige daran: Er heisst Sony...sie heisst auch Sony :-) und, wie Eric richtig bemerkt hat, sogar die Kamera mit der sie gefilmt wurden...
Guad, Haferlschua hamma jetzt koa dabei g´habt
Guad, Haferlschua hamma jetzt koa dabei g´habt

 

Gestern war übrigens noch ein erschreckender Artikel in der Zeitung: Im Jahr 2012 gab es in Bangalore 1989 (eintausendneunhundertneunundachtzig !!!) bestätigte Selbstmorde... in einer einzigen Stadt, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sehr viel höher.

Irgendwie hat das aber nur einen schon lange gehegten Verdacht erhärtet, es vergeht nämlich praktisch kein Tag an dem nicht mindestens ein Fall in der Zeitung steht, dass sich jemand erhängt, vergiftet oder angezündet hat, das scheinen die Top 3, wobei Erhängen wohl unangefochten an der Spitze steht.

 

Woran liegt's? Eigentlich sind die Inder doch so ein freundliches, fröhliches Volk. Aber, ich glaube, der Grund liegt oft in dem Druck, der vor allem hier in Bangalore auf den jungen Menschen liegt, und es sind ganz oft die jungen Menschen die sich umbringen.

Es gibt ganz viele die hier mit Hilfe der Familie versuchen einen Bildungsabschluß zu erreichen um irgendwie nach oben zu kommen und es kostet halt alles Geld, Geld das die Familie aufbringt.

Wenn dann das Ergebnis nicht wie erwartet ausfällt, dann greifen manche eben zu diesem schrecklichem Ausweg. Das alleine erklärt bestimmt nicht die immense Zahl von fast 2000, aber es trägt einen großen Teil dazu bei.

Ein zweiter Grund ist sicherlich auch der Umstand, dass viele der arrangierten Ehen halt doch nicht so gut laufen und da ist es dann meistens die Frau, die die finale Reißleine zieht, anders kommt sie aus der Situation nicht raus.

 

Nach einem Jahr in Indien fange ich an zu verstehen, dass ein großer Teil des Elends hier hinter den Kulissen stattfindet, abseits der omnipräsenten oft verkrüppelten und verstümmelten Bettler.

 

Aber es gibt auch genügend gegenteilige Beispiele, Jennifer zum Beispiel, sie ist hier in der Firma ein "Office-Walla", das heißt, sie erledigt Botengänge, bringt dem Management das Mittagessen und so weiter.

Ihr Monatsverdienst ist ca. 50 Euro, sie wohnt mit ihrer Familie in einer Hüttensiedlung gegenüber der Firma.

Sie ist 21 jahre jung, hübsch, und wird nie eine richtige Chance im Leben bekommen. Trotzdem ist sie (fast) immer gut drauf, gut und sauber gekleidet und macht meistens einen fröhlichen Eindruck. Letztens hat sie mal gesagt: "Michael, I wanna marry one of your sons"...

Ja, sonst noch was, wärst ja eine nette Schwiegertochter, aber da würden Welten aufeinanderprallen...

In der Zeitung war vor längerer Zeit ein Artikel über einen Fahrer in Delhi, der seine europäische, ich glaube sogar deutsche Frau erstochen hat.

Sie haben sich verliebt als sie im Urlaub da war und geheiratet, aber schließlich hat sich halt der Kultur und Standesunterschied so bemerkbar gemacht, dass er sie kurzerhand umgebracht hat. Das ist die männliche Variante unerträgliche Beziehungen zu beenden.

 

Ich hab Jenny (sie ist übrigens Christin, deswegen der unindische Name) schon vor Monaten erfolgreich beigebracht, dass sie mich beim ersten Entgegenkommen des Tages mit einem "Servus Spatzl" begrüßt.

Sie weiß zwar nicht was das bedeutet, freut sich aber immer, wenn ich mich dann freue, auch wenn es aus ihrem Mund mehr wie "Seewus Baazl" klingt...

 

Eric hat letztens eine Schachtel belgischer Pralinen mitgebracht und verschenkt immer welche wenn eine der Putzfrauen oder Wallas in unser Büro kommt, meist um unser Telefon zu benutzen.

Die Box hat 1500 Rupees gekostet, knapp 20 Euro, keine Ahnung wieviele Pralinen da drin sind, aber eigentlich erschreckend, dass wohl jede einzelne mehr kostet als die Summe die die Person die sie verspeist in mehreren Stunden verdient...

Ok, mir schenkt er auch ab und zu eine, da geht die Rechnung (Gott sei Dank) nicht auf...

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Patrick (Samstag, 28 Juni 2014 11:03)

    Einfach hammer zu lesen dein Blog..... Irgendwie kommt da hald schon fernweh auf und man vermisst diese zeit in Bangalore :-)