Das ist die kürzeste Entfernung zwischen dem Haus in Deutschland und dem Haus in Indien, zumindest wenn ich mich nicht beim Großkreis verrechnet habe, aber genau stimmt’s ja eh nicht, weil die Erde ja keine perfekte Kugel ist.
Der empfundene Abstand ist aber viel größer…Lichtjahre…
Aber von Vorne, was war so los in den letzten Wochen?
Ich krieg ja schon Post warum mein Blog "brachliegt"...:-) Recht so !!
Anfang April habe ich mich alleine auf den Weg in den CounterCulture Club gemacht um den Klängen einer indischen Coverband zu lauschen, die im ersten Block AC/DC Songs gespielt haben und nach der Pause auf Guns 'n Roses umgestiegen sind, dazwischen gaben sie ein paar Lieder von Led Zeppelin zum Besten...ein sehr interessanter Abend...in mehrerlei Hinsicht… das war nämlich der erste Abend, an dem ich die neueste Gesetzesänderung in Karnataka mal so richtig hautnah genießen durfte, seit März dürfen nämlich Lokale in Bangalore bis 1:00 morgens geöffnet haben und müssen nicht wie vorher um halb zwölf schon zu machen, allerdings nur am Wochenende.
Ein paar Tage später hat eine Kollegin dann den ersten Geburtstag ihres Sohnes gefeiert, abends in einem Resort, mit Abendbuffet in sehr schöner Atmosphäre. Nachdem ich ja zumindest meinen Geburtstag nicht sehr Wert schätze und i.d.R. auch nicht feiere, kam es mir schon etwas strange vor, dass man den ersten Geburtstag so groß feiert. Angeblich soll der erste Geburtstag etwas ganz Besonderes in Indien sein, wurde mir von einem Nicht-Inder erzählt...bei meinen ausführlichen Gesprächen mit Indern an dem Abend wurde das aber nicht bestätigt. Jedenfalls war es sehr unterhaltsam und wäre ich nicht mit der Enfield dagewesen, hätte ich vermutlich der Versuchung nicht widerstanden, die besten indischen Whiskeys zu kosten, die mir der Vermieter der Kollegin an der extra aufgebauten Bar schmackhaft machen wollte.
Vermutlich war es auch besser so, und Kathrin und ich waren auch so die letzten Gäste.
Zweimal hatten wir Besuch, überlappend, aber so ist das halt, wenn Osterferien sind.
Als erstes kam Jona aus England angereist, ein Freund der Jungs, der die lange Reise von London nach Bangalore ganz alleine antreten durfte, was im Vorfeld schon gar nicht so einfach war, weil es anscheinend bei der Visaverteilung nicht vorgesehen ist, dass ein Minderjähriger ohne seine Erziehungsberechtigten nach Indien einreist...aber naja, hat ja dann doch geklappt. Ein paar Tage darauf kamen mein Bruder Max mit Sabine und Florian, sodass die Bude mal wieder voll war.
Mit Jona sind wir am Sonntag zu einem Shiva-Tempel nach Lepakshi gefahren, nördlich von Bangalore. Dort befindet sich angeblich auch der größte monolithische Nandi ganz Indiens.
Kathrin hat noch mehr Ausflüge mit Jona und später auch Max, Sabine und Floh unternommen, aber ich bin ja leider nicht nur zum Spaß hier...:-)
Am Donnerstag, 17. April war Wahl, also hier in Karnataka und in weiteren 11 Bundesstaaten. Eigentlich wird in ganz Indien gewählt, das Parlament in Neu-Delhi halt und damit ein neuer Premierminister, der amtierende, Manmohan Singh, ist nicht mehr angetreten, deswegen wird es sicher einen neuen geben.
Indien besteht aber aus 28 Bundesstaaten, aber irgendwie scheint es wohl zu aufwändig zu sein, alle an einem Tag wählen zu lassen, so fand die Wahl also unter anderem in Karnataka ihren Auftakt. Das Gesamt-Endergebnis wird zum 16.5. erwartet, es bleibt also noch spannend.
Erwähnenswert an der Wahl sind aber natürlich wieder die Kuriositäten.
Eine Woche vorher kam eine bindende Ankündigung des Staates Karnataka, dass am Wahltag alle Behörden und offiziellen Stellen bezahlten Urlaub zu geben haben. Auch die Schulen blieben geschlossen und einige Geschäfte hatten auch zu. Ich habe in den 10 Monaten, die ich inzwischen hier bin, noch nie so wenig Verkehr auf Bangalores Straßen erlebt...herrlich...
Jona und ich haben dann auch gleich eine kleine Sightseeing Tour mit dem Motorrad gemacht...gut, irgendwann ist uns der Sprit ausgegangen, aber "wer sein Motorrad liebt, der schiebt" und ein paar hundert Meter weiter war auch schon eine Tankstelle...
Die zweite und viel größere Kuriosität zur Wahl: Ab Montagnachmittag 17:00 durfte kein Alkohol mehr ausgegeben werden, weder in Bars oder Restaurants, noch in den diversen Liquor-Stores. Wahrscheinlich wollte man sicherstellen, dass die Leute nüchtern zur Wahl gehen.
Am Donnerstag hatten dann zu unserem Leidwesen auch noch fast alle Restaurants geschlossen, außer Alkoholverbot gab es am Wahltag nämlich noch Fleischverbot...eigentlich wollten wir alle zusammen in ein Restaurant in der MG-Road im 13. Stock gehen, von dem man aus einen schönen Blick über Bangalore hat, aber auch das war leider zu...
Am Karfreitag früh bin ich dann aufgebrochen in Richtung Germania. Wie kam's? Eigentlich sollte das halbjährlich stattfindende Management-Meeting dieses mal in Indien sein, aber der Kunde hat sich gewünscht es, wie schon zuletzt im Oktober, in Deutschland abzuhalten...na gut, der Kunde ist schließlich König...:-)
Ursprünglich hatte ich vor am Ostersonntag zu fliegen, aber es gab bis zum Schluss Verzögerungen aus Delhi, ob die indische Delegation denn überhaupt fliegen dürfe, zwischenzeitlich hat es mal ziemlich duster ausgeschaut, und deswegen habe ich mich kurzerhand entschlossen, den Flug vorzuverlegen um bei einer etwaigen "Final-Cancellation" schon in Deutschland zu sein.
Ich wollte unbedingt nach Deutschland, ich merke doch, dass ich stellenweise ein bisschen "Indien-müde" werde, was sicherlich auch mit der momentanen Hitze zusammenhängt und der nichtundwenndochdannschlecht-funktionierenden Aircondition im Haus und dem damit verbundenem Schlafmangel...
Außerdem haben die goldenen Rücklichter der Zeit halt auch einige Sehnsüchte geweckt, Sauberkeit, Ordnung, a gscheit's Brot, Schweinebraten mit Semmelknödel...und und und..;-)
Und natürlich die Aussicht, Leute, die mir am Herzen liegen mal wieder persönlich zu sehen.
Die Landung in München war dann bei einem ziemlichem Scheißwetter, 16 Grad, grau in grau und Dauerregen...welcome back... naja, da kann man wenigstens gut schlafen...
Schweinebraten hab ich an dem Abend jedoch nicht gegessen, schließlich war Karfreitag, eigentlich komisch, warum befolgt man die Regeln einer Religion, die lediglich auf der Lohnsteuerkarte eingetragen ist und für die ich jedes Jahr mehr Clubbeitrag bezahle als Mitgliedsgebühr beim elitärsten Tennisverein fällig wäre, ohne eigentlich wirklich dahinterzustehen?
Der "Business-Case" Kirche ist schon ein ganz besonderer, aufgebaut auf der Furcht vor dem "danach" und Manipulation von Kindesbeinen an...aber so ist es ja auf der ganzen Welt, nur der Name und die Riten variieren...(und der Mitgliedsbeitrag...;-)
Der eigentliche Kulturschock folgte aber dann am Osterwochenende bei diversen Spaziergängen. Alles kam mir so klein vor, und so verlassen (ok, erstens war natürlich an Ostern ein Großteil der Menschen unterwegs und zweitens wuselt es halt in Indien überall). Das Schlimmere aber war, die Menschen die mir begegneten kamen mir oft so alt vor und traurig und schlecht gelaunt. Alter ist ja nun per se nichts Schlimmes und der Altersdurchschnitt der Bevölkerung in Deutschland ist nun mal erheblich höher als in Indien, aber das meine ich nicht, es geht mehr um die Ausstrahlung.
Eigentlich war und ist mein Ansinnen ja, für mich das Beste aus beiden Welten auf- und mitzunehmen und mir zum Vorbild zu machen.
Erschreckenderweise habe ich aber erstmal das Negative wahrgenommen und mich gefragt in welcher der beiden Welten ich eigentlich gerne leben möchte...
Einige Tage später hat man sich aber schon wieder eingeschwungen... momentan denke ich eher darüber nach, wie toll es eigentlich ist, dass man mal die Möglichkeit erhält einen Blick von außen auf den Planeten Europa/Deutschland zu werfen...und aus indischer Sicht ist es ein anderer Planet, genauso wie umgekehrt ja auch...viel weiter entfernt als die errechneten gut 7000 Kilometer.
Vor gut einem dreiviertel Jahr hat ein schlauer Mensch zu mir gesagt: "Indien wird dich ändern, genau wie jeden anderen Menschen auch, der länger hier ist, genau wie es mich ändert".
Jetzt weiß ich, dass das tatsächlich stimmt, auch ohne Ashram, Gurus und dem ganzem spirituellem Gequatsche, das man gelegentlich von den westlichen Leuten hört, die vor sich selber fliehen...(Letztens hat mir ein junger Wiener erklärt, wie geil man hier die Energieströme spüren kann und wieviel mehr Energie aus einem indischen Baum rauskommt wenn man ihn umarmt als aus einem österreichischem...:-)
Allerdings merkt man es halt erst, wenn man wieder andere Maßstäbe angelegt bekommt, bzw. anlegt, wie es mir eben letzte Woche passiert ist.
Hier legt man die westlichen Maßstäbe irgendwann zwischen dem dritten und dem sechsten Monat ab...jedenfalls war es bei mir wohl so.
Ansonsten dreht man hier durch und, was noch schlimmer ist, verbaut sich den Weg was Neues zu lernen.
Manche machen es jedoch wohl nie und sind hier ständig unzufrieden, andere glauben es am ersten Tag bereits zu können und erzählen mir nach zwei Wochen Dienstreise, wie gut sie Indien kennen...ich werde es nie richtig kennen, dazu ist es zu groß und vielfältig, aber es kann helfen mich selbst ein bisschen besser kennenzulernen, allerdings muss man das natürlich, wie immer, auch zulassen...
Und wie geht es jetzt weiter? Global wird sich am Plan nichts ändern, das Projekt wird sich zwar eventuell ein paar Monate verlängern, aber definitiv ohne Unterstützung vor Ort, weil das halt doch schon ziemlich teuer ist. Das ist so eine der Hauptaussagen des Management Meetings.
Mir macht das nichts aus, im Gegenteil, ich habe auf die Frage bezüglich einer etwaigen Verlängerung eh immer abgewunken. Eric ist wohl etwas enttäuscht, er wäre gerne noch länger geblieben.
Es bleibt also bei Ende November, sieben weitere Monate, grad richtig, einige Leute haben mir schon zugesagt, dass sie mich noch besuchen wollen, teilweise wurden sogar schon konkrete Absprachen getroffen.
In vier bis sechs Wochen wird wohl der Regen kommen, bis dahin muss man halt die Hitze noch ertragen. Eigentlich unglaublich, als ich das erste mal davon gelesen habe, dass man hauptsächlich entlang der Südküste Monsunparties veranstaltet um den Regen zu begrüßen, hatte ich dafür nur ein Kopfschütteln übrig, heute denke ich auch da anders drüber...
Mitte Juni werden Kathrin und die Jungs, nachdem das Schuljahr zu Ende ist, nach Hause gehen.
Und ich freue mich darauf noch ein weiteres Stück von Indien und von mir kennenzulernen.
Heute am ersten Mai wurde übrigens bei mir im Office gearbeitet, obwohl einige Firmen in Indien den Labour Day frei gemacht haben...nur der Vollständigkeit halber, um nicht wieder hören zu müssen, ich würde ja mehr Feiertage haben als jeder andere (obwohl, vll. stimmt's sogar..:-)
Außerdem haben wir vergangenes Wochenende Ratte Nummer elf und zwölf in unserem Office gefangen…also Ratten im Büro habe ich definitiv mehr als alle anderen…zumindest vierbeinige…;-)
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