Dritter Teil:
Von Rameswaram über Kanniyakumari
nach Varkala Beach
Beim Frühstück hat mir Sylvie noch den Tipp gegeben, dass auf dem Weg zur Südspitze in dem Ort Tiruchchendur (kein Tippfehler, der heißt tatsächlich so) gerade Tempelfest ist und das eigentlich sehenswert wäre, sie kamen nämlich gerade aus der Richtung bevor wir uns in Rameswaram getroffen haben.
Ok, schaun mer mal, ob es sich zeitlich ausgeht, es ist ja noch ein Stückchen zu fahren bis dahin.
Ich bin also aufgebrochen, erstmal die Landzunge zurück bis nach Ramanathapuram um dann auf die East Coast Road in Richtung Süden abzubiegen. Jetzt muss man wissen, dass es ja hier in Indien kein vernünftiges Kartenmaterial gibt und auch die Beschilderung der Straßen eher sehr dürftig ist, aber ich habe auf meinem Handy zwar kein echtes Navigationssystem, aber natürlich GPS und eine ganz brauchbare offline Karte. GoogleMaps hätte zwar besseres Material, dazu muss man aber halt auch immer eine vernünftige 3G Verbindung haben, wovon man nicht ausgehen kann. Ich habe mir also angewöhnt, auch um Akku zu sparen, der Straße zu folgen bis wieder eine Richtungsentscheidung ansteht und dann kurz auf der Karte zu checken wie es weitergeht.
Leider habe ich einmal für längere Zeit keinen Positionsupdate gemacht und irgendwann ist mir aufgefallen, dass die Sonne im Mittel eigentlich fast immer in meinem Rücken war, was ja so gar nicht zu meiner SüdSüdWest Richtung gepasst hat. So kam es, dass ich feststellen musste ca. 40 km von meiner Route in Richtung Norden abgewichen zu sein, den gleichen Weg wollte ich nicht zurückfahren, also habe ich fast 100 km Umweg gehabt, bis ich schließlich wieder „On Track“ war.
Macht aber nichts, erstens ist ja der Weg das Ziel, und zweitens habe ich auf der Strecke etwas sehr Interessantes beobachten können. Mir ist ja auf meinen Tagestouren rund um Bangalore schon mehrfach aufgefallen, dass die Bauern die Strassen gerne nutzen um das geerntete Getreide auf dem Belag auszubreiten und so die Fahrzeuge zwingen drüberzufahren, was anscheinend einen Drescheffekt hat. Somit wird also sprichwörtlich die Spreu vom Weizen getrennt. Auf diesem Abschnitt konnte ich das ganz verstärkt sehen, scheinbar ist in der Gegend gerade Erntezeit. Die eh schon geringe Durchschnittsgeschwindigkeit wird dadurch zwar nochmal etwas runtergedrückt, aber ich konnte ein paar ganz schöne Fotos machen und wurde auch immer herzlich aufgenommen wenn ich mal Pause machte. Leider habe ich niemanden gefunden, der des Englischen so mächtig gewesen wäre, dass er mir hätte erklären können, was da eigentlich genau vor sich geht.
Angesichts der verlorenen Zeit war ich am überlegen, ob ich trotzdem noch einen Abstecher zum Tempelfest machen sollte, aber Sylvie hat so von den Glaubensfanatikern geschwärmt, die da mit durchstochenen Wangen und anderen malträtierten Körperteilen zu sehen sind, dass ich mich doch für einen kurzen Zwischenstopp entschieden habe. Andererseits wollte ich unbedingt zum Sonnenuntergang an der Südspitze sein, aber mit etwas Glück bezüglich der Straßenqualität müsste sich das ausgehen...
Diese wilden Typen habe ich zwar nicht angetroffen, aber es war ein sehr beeindruckendes Erlebnis durch das Gewusel beim Tempelfest zu laufen und wie immer bei Hindufestivitäten wurde man ja überfreundlich aufgenommen.
Schade zwar bald wieder gehen zu müssen, aber es nutzt ja nix, der Sunset ruft...
Die Erwartungen bezüglich der Straßenqualität haben sich zwar leider nicht erfüllt, aber so muss halt die Enfield ihre Offroad Qualitäten auch bei etwas höheren Geschwindigkeiten unter Beweis stellen...und ich habe es tatsächlich geschafft...allerdings auf Kosten der mechanischen und biologischen Stoßdämpfer...:-)
Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass man kurz vor dem Erreichen des Kaps einen Windpark mit hunderten Windrädern durchquert, etwas, das ich in Indien vorher auch noch nie gesehen habe.
Angekommen am Kap hetze ich runter zum Sonnenuntergangsbeobachtungspunkt, wo sich schon hunderte Menschen versammelt haben. Das Besondere an der Stelle ist ja, dass man die Sonne im Arabischen Meer versinken sieht und theoretisch kann man an der gleichen Stelle stehen bleiben, sich um 180 Grad drehen und man sieht ca. 12 Stunden später die Sonne wieder aus dem Meer, in dem Fall dem Golf von Bengalen, aufgehen. Das war auch mein Plan, allerdings wollte ich natürlich die Nachtstunden anderweitig nutzen und habe mich auf die Suche nach einem Hotel gemacht. Davon gibt es auch am Kap jede Menge, aber es bedurfte dann doch vier Anläufen um ein freies Bett in einem sehr einfachen Quartier zu finden, aber macht nix, Dusche ist vorhanden und der Zimmerservice liefert Essen und Kingfisher bis auf den Balkon, was will man mehr...
Der Wecker steht auf halb sechs, unausgeschlafen mache ich mich auf den Weg in Richtung Sonnenaufgang.
Wieder einmal zusammen mit hunderten anderen Menschen, allerdings mit dem Unterschied, dass am Abend die Leute mehr Touristencharakter hatten, am Morgen steht bei vielen doch anscheinend der spirituelle Moment im Vordergrund, und so gibt es jede Menge Sonnenanbeter, im wahrsten Sinne des Wortes, die dem Erscheinen der Sonne mit unterschiedlichsten Ritualen entgegenfiebern.
Leider ist es etwas diesig am Horizont, so dass der Sunrise eher ein „es wird halt langsam heller“ ist, aber nichtsdestotrotz ein unglaublich schöner Moment, vielleicht auch deswegen, weil bei mir das Verhältnis zwischen bewusst erlebten Sonnenuntergängen und Sonnenaufgängen, wie bei den meisten anderen Menschen (wenn sie nicht gerade Bäcker sind) wahrscheinlich auch, ca. 25:1 ist...
Kurz zurück ins Hotel, duschen und auschecken und so früh wie noch nie in diesem Urlaub raus auf die Straße.
Etwa 10 km entfernt durchquere ich Nagercoil, ein netter Ort mit einem wirklich schönen vorgelagertem Ortsteil mit einem großen Tempelbecken, das allerdings ganz ungewöhnlich neben statt in dem Tempel zu finden ist und netten Häusern drumrum. Dieser Ort verdient schon alleine deswegen etwas mehr Aufmerksamkeit, weil ich aus meinen „Vorgesprächen“ weiß, dass Jana, eine sehr nette Arbeitskollegin, mit der wir doch vor Weihnachten auf diesem Baptistengottesdienst waren, aus genau diesem Ort stammt. Wie sich nachher rausgestellt hat, auch noch aus genau diesem schönen Ortsteil. Jana hat mir übrigens letztens eine Bibel geschenkt, auch noch die Goldschnitt-Ausgabe, um mich ein bisschen zum „darin lesen“ zu animieren...unglaublich nett, aber (bis jetzt) ein vergebliches Unterfangen...
Kurze Zeit später überquert man dann auch die Grenze von Tamil Nadu in Richtung Kerala, wobei es an den Grenzen der Bundesstaaten zwar immer Grenzhäuschen gibt, manchmal auch Schlagbäume, aber bis jetzt konnte ich immer ungehindert einfach passieren.
Die Landschaft wechselt auch ihr Gesicht, entlang der Küsten Keralas sind fast überall wunderschöne Palmenwälder präsent und man trifft halt immer wieder auf die berühmten Backwaters.
Selbst das Aussehen und die Mentalität der Menschen ändert sich ein bisschen, die Leute sind ja nach meiner Erfahrung in ganz Indien ausgesprochen freundlich, in Kerala sind sie es nochmal einen Tick mehr. Und die Frauen sind auch noch eine Spur hübscher und sehr anmutig, wenn sie mit ihren aufgespannten Regenschirmen als Sonnenschutz und ihren bunten Kleidern durch die Straßen marschieren.
Mein Ziel für diesen Tag ist Varkala Beach, diese Region in Südkerala ist nach Goa eines der bekanntesten Badegebiete Indiens. Dank der relativ kurzen Strecke (<200 km) und des frühen Aufbrechens, schaffe ich es auch tatsächlich mich in die Fluten zu stürzen...
Zum Übernachten habe ich eine, zwar einfache, aber nette Hütte in Strandnähe gefunden und nach einem Schlummertrunk auf meiner Terrasse geht es dann auch relativ zeitig ins Bett, die verlorenen Morgenschlafstunden wollen schließlich nachgeholt werden...
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