22./23.11
Unser Ziel für Freitag und Samstag waren die Biligiri Rangaswamy Berge. Biligiri bedeutet auf Kannada ¨Weiße Berge¨ und kommt angeblich von den weißen Wolken die die Berggipfel manchmal einhüllen, oder von dem ¨weißen Felsen¨ auf der Spitze des Hauptberges wo sich der BR-Tempel befindet.
Rangaswamy ist wohl der hiesige Name für Vishnu, bzw. heißt der eigentlich Ranganatha und Swamy ist ja eine Bezeichnung, bzw. ein Titel für jemanden der sehr hoch angesehen ist und die Erleuchtung gefunden hat. Also müssten die Berge eigentlich Bilgiri Ranganatha Berge heißen, oder Bilgiri Ranganathaswamy Berge. Manche bezeichnen sie auch einfach als Biligiriranga-Hills.
So, jetzt kennt sich keiner mehr so richtig aus und was macht man in diesem Fall, man führt eine Abkürzung ein und deswegen heißen die Berge auch auf den Hinweisschildern schlichtweg ¨BR-Hills¨ :-)
Aber erstmal muss man ja hinkommen. Der Plan ist um spätestens 7:30 im Auto zu sitzen, leider ist es halt dann doch wieder nach acht geworden, was in diesem Fall sehr schlecht ist, es ist ja normaler Arbeitstag und jede Minute nach Acht, die man später loskommt wirkt sich verkehrsmässig fatal aus. Aber die Nacht vorher war eine der Nächte in denen sich der Schlaf so gar nicht einstellen mag. Komischerweise ist das ja oft ein kollektives Phänomen, woran das auch immer liegen mag, wahrscheinlich hat die erhöhte Mückenaktivität auch eine Rolle gespielt. Jedenfalls habe ich um zwei Uhr morgens beschlossen, noch ein Bier auf der Terrasse zu trinken und dabei Benedict, der auch nicht schlafen konnte, vor dem PC vorgefunden. Und Kathrin und Sebastian ging es auch nicht viel besser.
Wir waren also alle schon ziemlich erschlagen bevor es überhaupt los ging. Kein Problem, Shekar hat uns gut aus Bangalore raus manövriert. Nach der Frühstückspause hat er uns in eine Art Park mit Museum geführt, in dem die karnatakanische Kultur und Tradition konserviert wird. Shekar ist schon sehr stolz auf seine Herkunft, was ich ihm auch durchaus hoch anrechne. Der Park ist auch sehr schön angelegt und in den verschiedenen kleinen Museen liegen die Themenschwerpunkte auf Tracht und Rituale, Arbeits- und Alltagsgegenstände usw. Ein typisches Heimatmuseum halt, aber sehr interessant und praktisch überall ist eine persönliche Führung im (eigentlich lächerlichem) Eintrittspreis mit dabei. Nach der Abteilung ¨Musikinstrumente¨ hat uns der Guide aufgefordert auf den Treppenstufen Platz zu nehmen und dann hat er ein traditionelles Volkslied aus Karnataka in Kannada zum Besten gegeben wobei er sich selber nur mit einer kleinen Trommel begleitet hat. Sehr schön und damit hat er sich natürlich ein kleines Extratrinkgeld verdient...:-)
Der nächste Stopp war dann an den Shivasamudram oder auch Cauvery Waterfalls am Fluss Kaveri. Erst waren wir am Aussichtspunkt auf der gegenüberliegenden Seite und anschließend sind wir auf die Seite der Wasserfälle auf das obere Niveau gefahren. Unten, wo die Wassermassen aufschlagen, kommt man nur sehr schlecht hin und Baden ist zwar nicht ausdrücklich verboten, aber es wird mit einem Hinweisschild darauf aufmerksam gemacht wieviele Menschen in den letzten Jahren tödlich verunglückt sind.
Also sind wir oben ein bisschen auf den Felsen rumgestiegen und Shekar hat aufgepasst, dass wir ja keine zu gefährlichen Unternehmungen angehen. Irgendwann steckt man dann aber doch die Füße ins Wasser zur Abkühlung, es war ja laut Temperaturanzeige im Auto über 30 Grad warm und auf den Felsen war natürlich auch kein Schatten. Und irgendwann dachte ich mir, es wäre doch eigentlich schon schön ganz ins Wasser zu springen, es gab ja genügend Stellen an denen es wirklich ungefährlich war. Gesagt, getan und es war schlichtweg herrlich. Die Jungs sind mit ins Wasser, Kathrin musste sich mit dem Fußbad begnügen, es waren zwar außer uns praktisch keine Leute unterwegs (allerdings jede Menge Affen), aber Frauen gehen ja in Indien eigentlich mit Kleidung ins Wasser und sie wollte natürlich nicht tropfnass dastehen, wir sind halt in Ermangelung einer Badehose mit Unterhosen reingesprungen. Wären wir, wie vermutlich bei uns in einer ähnlichen Situation, nackt ins Wasser gegangen, wäre Shekar wahrscheinlich auf der Stelle tot umgefallen...:-)
Bevor wir ins Wasser gingen habe ich aber wieder mal etwas für´s Leben gelernt. Diesmal von Basti:
Ich: ¨Ich glaube ich gehe jetzt dann doch rein¨
Basti: ¨Ok, bist du sicher?¨
¨Ja, klar, warum nicht¨
¨Papi, ist das jetzt eins von deinen Yolo-Dingern?¨
¨Häh ???¨
¨Na eine Yolo-Aktion¨
¨Häh, was für eine Aktion ???¨
¨Na Yolo, you only live once...¨ Aha, danke für die Aufklärung...:-)
Irgendwann hat aber Shekar dann doch auf die Uhr aufmerksam gemacht, die Unterkunft in den BR-Hills liegt mitten im Wildlife Sanctuary und die Straße dahin wird von abends um sechs bis morgens um sechs gesperrt damit die Tiere ihre Ruhe haben. Bis dahin war noch ca. eine Stunde zu fahren und es war schon kurz nach fünf. Ich habe Shekar noch nie so Gas geben sehen. Man kann die Zeit ja immer nur grob abschätzen, es hängt natürlich viel davon ab wieviele Rinder-, Schaf, oder Ziegenherden gerade die Straße blockieren und wie schnell man da dann durchkommt. Vier Minuten vor sechs waren wir an der Grenze in den Nationalpark, also just in time. Nachdem wir die Schranke passiert hatten war der Zeitdruck weg und wir konnten wieder ganz ruhig nach Tieren Ausschau halten. Es wurde allerdings dann auch ziemlich bald dunkel, und die Zeit der Dämmerung ist hier so relativ nahe am Äquator schon deutlich kürzer.
Aber es war noch hell genug um plötzlich neben der Straße drei wilde Elefanten stehen zu sehen. Wir haben kurz dahinter angehalten und Shekar gebeten wieder ein Stück zurückzufahren. Er war sehr zögerlich, hat es aber schließlich gemacht, jedoch wurde er zunehmend nervöser: ¨Very dangerous, very, very dangerous...¨. Jetzt hab dich mal nicht so, schließlich sind die Dickhäuter noch ca. 20 Meter weg, inzwischen ist es aber so dunkel, dass man nur noch die Silhouetten erkennen kann. Eine sehr beeindruckende Stimmung. Shekar schlägt schließlich folgenden Deal vor: Er startet den Motor, legt den ersten Gang ein, dann dürfen wir einmal mit Blitzlicht fotografieren und er fährt sofort los. So haben wir es dann auch gemacht, aber die Fotos sind sauber in die Hose gegangen, Kathrins Blitz hat gestreikt und bei meiner Spielzeugkamera, die ich inzwischen habe, reicht natürlich die Blitzausleuchtung bei Weitem nicht.
Abends am Lagerfeuer hat Shekar dann erzählt warum er so vorsichtig mit den Elefanten ist. Er wechselt ja naturgemäß alle paar Jahre mal seinen Arbeitgeber, dann wenn halt der ¨alte¨ wieder zurückgeht und ein neuer Expetriate einen Fahrer braucht. Und so war er vor Jahren mal in Diensten des Directors von AMD-India und hat mit ihm und seiner Familie einen Ausflug exakt in das gleiche Ressort gemacht. Dabei ist scheinbar eine Elefantenkuh so wild geworden, dass sie die Heckscheibe des Autos mit ihrem Kopf eingedrückt hat und, während Shekar verzweifelt versucht hat, das Auto zu starten, mit ihrem Rüssel in den Innenraum gegriffen hat. Letztendlich ist nichts passiert außer einem demoliertem Auto und einem Artikel am nächsten Tag in der Zeitung, aber man kann sich schon vorstellen, dass so ein Erlebnis prägend ist.
Die Unterkunft war dann einfach aber ausreichend und neben erwähntem Lagerfeuer gab es noch ein typisches indisches Abendessen, alles mehr oder weniger im Freien. Insgesamt machte das Ganze eher den Eindruck eines Familienbetriebes. Wir haben auch einen Pauschalpreis für Alles bezahlt, inklusive des nächsten Tagesprogrammes.
Und das ging verdammt früh los, noch vor Tagesanbruch saßen wir zusammen mit einem Guide im Auto um rechtzeitig um sechs mitten im Nationalpark auf Tierbeobachtung zu gehen. Wir haben auch sehr viele zu Gesicht bekommen und der Guide konnte halt nicht nur die Tiere im Dschungel besser ausfindig machen, sondern auch noch erklären worum es sich handelt. Jede Menge Vögel, Pfaue, verschiedene Reharten, die schwarzgesichtigen Affen, die ich schon in Bandipur gesehen habe und von denen ich inzwischen weiß, dass es sich um eine Lemuren Art handelt (die Affen, die sonst überall rumlaufen sind Makaken), Indian Gaurs, eine imposante Rinderart, und etwas das ich auch im Zoo noch nie gesehen habe, Indian giant Squirrels, Eichhörnchen, die gut einen Meter lang werden. Außerdem habe ich gelernt, dass es sich bei dem zotteligem Tier, das ich letztens im Bandipur Nationalpark gesehen habe um einen ¨ruddy mongoose (indische Rotmonguste)¨, auch bekannt unter dem Namen ¨Snake Hunter¨ gehandelt hat.
Elefanten sind uns keine über den Weg gelaufen, aber die haben wir ja am Vorabend schon getroffen...
Irgendwann wird es dann nochmal spannend, weil mitten auf der Straße frische Tigerkacke liegt. Von zwei verschiedenen Tigern. Der Guide hat uns noch erklärt, was sie wohl am Vorabend gegessen haben. Aha, naja, auch mal eine Erfahrung sich näher mit Exkrementen zu befassen...
In einem kleinem Dorf in dem das Basislager der Park-Guides war gab es eine kleine Ausstellung. Es wurde ja vorher schon angekündigt, dass im Dschungel noch einige ¨Tribes¨ leben und dass wir einen besuchen werden. Ich habe mir allerdings Naturstämme anders vorgestellt, die Leute haben in den gleichen Unterkünften gewohnt wie andere Inder auch und vor ihren Eingangstüren standen genauso die Mopeds rum. Wahrscheinlich wird ein Dorf als Stamm bezeichnet wenn es sich innerhalb eines ausgewiesenen Dschungelgebietes befindet.
In der Ausstellung waren dann sechs Tigerbabies in Alkohol eingelegt zu sehen, die zwei Tage nach ihrer Geburt gestorben sind, und ein eingelegter Elefantenfötus...
Um halb zehn waren wir dann zurück zum Frühstück und anschließend sind Kathrin und ich zusammen mit dem Guide zu Fuss aufgebrochen, die Jungs mussten sich erstmal erholen...:-).
Der Weg führte durch eine kleine Kaffeeplantage zu einem kleinen See und weiter durch den Urwald über die Hügel zu schönen Aussichtspunkten. Leider war der Samstag nicht so wolkenlos wie der Tag davor und so lag zwar über den Hügelketten eine richtig mystische Stimmung, aber die Aussicht war halt nicht optimal. Auch hier jede Menge Elefantenspuren (meistens halt in der Form mächtiger Kacke-Haufen), aber kein lebendiger Dickhäuter. Allerdings ist es bemerkenswert auf welchen Bergwegen und Steigungen die Elefanten ihre Wege finden. Das traut man ihnen irgendwie gar nicht recht zu.
Kurz nach Mittag sind wir dann zum Tempel am Berggipfel aufgebrochen. Shekar ist in einem Dorf nicht allzuweit weg von hier geboren und so hat er eine besondere Beziehung zu diesem Tempel und bezeichnet ihn auch als ¨seinen¨ Tempel. Gewidmet ist der Tempel ja Vishnu, bzw. einer seiner Erscheinungen. Laut Shekar ist dieser Tempel auch der Anlaufpunkt von Liebespaaren, vor allem zur Beichte, wenn sie ¨bad things¨ gemacht haben, er drückt sich ja immer sehr umständlich aus zu diesem Thema. Etwas weiter unten befindet sich auch ein Ratha, ein indischer Tempelwagen, den man bei manchen Tempeln sieht und der für Prozessionen verwendet wird. Shekar hat schon mal erwähnt, dass manchmal auf einer Seite der Rathas Darstellungen sind... diese Seite sollte man nicht fotografieren...
Wie sich rausstellt handelt es sich dabei um Darstellungen aus dem Kamasuthra, und natürlich habe ich fotografiert...:-)
Er hat auch gesagt, dass es einmal im Jahr eine geführte Prozession von seinem Dorf aus durch den Wald zu diesem Tempel gibt und er würde mir Bescheid sagen wenn es das nächste Mal ist. Auf die Frage wielange die Wanderung dauert hat er gemeint, so genau kann man das nicht sagen, letztes Mal sind sie morgens um sechs losgegangen und um vier Uhr angekommen, aber da mussten auch zwischendurch mal alle auf Bäume klettern wegen der Elefanten (¨Very dangerous...¨).
In der Pension gab es dann noch ein sehr verspätetes Mittagessen als Bestandteil des Gesamtpakets bevor wir dann wieder in Richtung Bangalore aufgebrochen sind. Bedingt durch Rast-, Tank-, Essenspausen wurde es dann doch wieder zehn bis wir zuhause waren.
Aber rechtzeitig genug, damit die Jungs um elf das Bundesliga-Highlight FCB gegen BVB anschauen konnten (3:0 für Bayern). Hier werden ja ganz viele Fussballspiele live übertragen, allerdings halt bedingt durch die Zeitverschiebung nicht zu den besten Tageszeiten.
Für Shekar war es eine kurze Nacht, er musste kurz nach Mitternacht in Richtung Flughafen aufbrechen. Heute nachmittag kommt Mascha, unsere ¨erste Gasttochter¨, die 2004 ein Jahr bei uns gewohnt hat und zur Zeit in Regensburg studiert mit ihrem Freund und einem weiterem Freund für eine Woche zu Besuch, bevor sie für eine weitere Woche auf die Malediven wollen. Sie und Igor fliegen aus Deutschland an, der dritte im Bunde, Alex, ist in der Nacht direkt aus Kiew in Bangalore angekommen. Irgendwie lustig, der erste der uns besuchen kommt ist jemand, den wir bis jetzt gar nicht kennen...
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