13.10. / 14.10.
Kerala. Die Betonung liegt auf dem e, das zweite a kann man auch halb verschlucken. Die Sprache ist Malayam, die dazu passende Schrift ähnlich rund wie im karnatakanischen Kannada, aber etwas gestauchter, aber egal, ich werde wohl weder das eine noch das andere lernen.
Kera bedeutet auf malayamisch Kokospalme, Alam heißt Land. Wir fliegen also ins Kokospalmenland...
Kochi
Abflug in Bangalore am Sonntag früh, Destination Kochi, Airline Spicejet. Wenige Stunden vorher saß ich noch in der First Class, jetzt in der Holzklasse mit einer Bestuhlung, die auf den Standard-Inder angepasst ist, d.h. man hat das Gefühl, man müsste mit dem Kran rein und raus gehoben werden und sich anschnallen ist sinnlos, weil man eh feststeckt...aber für eine Stunde Flug geht das schon.
Der Fahrer, der uns in Kochi am Flughafen erwartet und uns die kommende Woche begleiten wird, heißt Mr. Unni und stellt sich als sehr nett und vor allem des Englischen mächtig heraus. Also schon einmal ein vielversprechender Beginn.
Die Fahrt zum Hotel ¨Harbour View¨ dauert eine gute Stunde, das Hotel hält nicht was der Name verspricht, aber was soll´s, wer in Bayern in einem Hotel ¨Bergblick¨ eincheckt, hat auch keine Garantie, dass er vom Balkon aus die Alpen sehen kann (außerdem gab es gar keinen Balkon im Hafenblick). Der Weg führt uns vom Hotel per Auto gleich mal auf die vorgelagerte Insel ¨Fort Kochi¨. Dort gibt es außer jeder Menge Souvenir-Läden, laut Reiseführer und Mr. Unni, drei Sehenswürdigkeiten, den Dutch Palace, eine jüdische Synagoge und die Chinese Fishnets. Allerdings steht ja bekanntlich die Befriedigung des Hungergefühls in der Bedürfnispyramide vor der Befriedigung kultureller Interessen, also streichen wir kurzerhand die ersten beiden geplanten ¨Highlights¨. Wenn wir vorher essen gehen wollen, verpassen wir definitiv die Öffnungszeiten, aber zumindest der Dutch Palace macht beim Vorbeifahren von außen eh keinen so einladenden Eindruck. Außerdem fliegen wir ja in einer Woche wieder von hier zurück, vielleicht ergibt sich ja da dann die Möglichkeit zur Besichtigung.
Leider gab es allerdings auch kein Restaurant mit Meerblick, aber immerhin gab es sehr leckeren Fisch. Gesättigt sind wir dann durch ein Einkaufsgässchen flaniert und natürlich, wie fast immer, sofort von einem Autorikscha Fahrer angesprochen worden, ob wir denn keinen Transportbedarf hätten...nachdem wir abgelehnt hatten kam er allerdings mit einem sehr interessantem Vorschlag, er hat gesagt, dass er von einem Souvenir-Geschäft als ¨Schlepper¨ engagiert ist und wenn er uns dahin bringen darf und wir in dem Geschäft fünf Minuten lang Interesse zeigen ohne was zu kaufen, würde er zwei Liter Sprit bekommen, und als Dank würde er uns in Fort Kochi hinbringen wo immer wir wollten. Diese Praxis, dass sich die TucTuc Fahrer auf diese Weise was dazu verdienen ist uns ja nicht unbekannt, aber die freche Offenheit hat mir gut gefallen, also haben wir uns drauf eingelassen. Nachdem wir also etwas Interesse für Handwerkskunst jeglicher Art, vom handgewebten Sari bis zum Gehstock aus Kamelknochen geheuchelt haben, wurden wir an einen Strand gefahren, an dem schon hunderte, vielleicht sogar tausende Inder auf den Sonnenuntergang warteten. Es war ja Sonntag und außerdem noch Dussehra (eigentlich wollte ich dazu was schreiben, aber vielleicht mache ich mal einen eigenen (Haupt-) Feiertagsblog), d.h. viele Inder waren auch in Urlaubsstimmung. Am Strand gab es dann noch ein Eis für die Jungs und mich und ich musste mal wieder so schmunzeln über den Verkäufer, bei dem zwar eine ziemlich große Auswahl an verschiedenen Eistüten auf der Karte stand, letztendlich hatte er aber nur eine Sorte vorrätig. Mit viel schlitzohrigem Verkaufsgeschick hat er jeden Kunden genau in die Richtung gequatscht, dass der eh nix anderes mehr kaufen wollte...herrlich mit anzusehen.
Während des Sonnenuntergangs sind wir dann entlang der chinesischen Fischernetze zum Ausgangspunkt zurück marschiert, wo Mr. Unni auf uns gewartet hat. Auf dem Weg dorthin boten die Fischer ihre frischgefangene Ware feil, von der einfachen Brasse bis hin zum Hammerhai, alle mit dem Versprechen, dass das nächste Restaurant den Einkauf stande pede tellerfertig zubereiten würde. Sehr verlockend, aber wir waren ja immer noch satt, wobei mich schon interessiert hätte, wie so ein Hammerhaigschnetzelt´s eigentlich schmecken würde...
Abends sind wir dann nach dem erfolglosem Versuch ohne Klimaanlage in der schwülen Hitze einzuschlafen noch beim Faisi in der Hoteldisco versumpft, bei schrecklicher Musik und ekstatisch tanzenden Indern...(und einer Männer-Frauen Quote von ca. 10:1).
Das Frühstück am nächsten Tag lecker zu nennen wäre eine schamlose Lüge, wobei mich Benedict mit der Frage ¨Wie viele Sterne hat das Hotel eigentlich?¨ schon etwas überrascht hat...verwöhnter Bengel, in seinem Alter haben wir zum Spaß im Wald übernachtet und uns von Würmern und Spinnen ernährt anstatt uns darüber zu echauffieren, dass das Hotel vielleicht einen Stern mehr hätte haben können...;-) (Wobei, wenn ich an die Musikauswahl denke, frage ich mich ob der Schuppen überhaupt einen Stern verdient hat...)
Munnar
Nach dem Frühstück sind wir dann ins Landesinnere, in Richtung Western Ghats, einer Gebirgskette im Süd-Osten Indiens gefahren. Mr. Unni hat uns unterwegs erklärt, dass man in Kerala grob drei Regionen unterscheidet, die Low Lands an der Küste in denen hauptsächlich Reis und Kokosnüsse angebaut und geerntet werden, die Middle Lands wo es Früchte, Gemüse und Kautschuk gibt und die High Lands mit dem Tee und den Gewürzen.
So habe ich auf dem Weg von den Low Lands zu den High Lands das erste Mal gesehen wie eine Ananasplantage aussieht und wie Kautschuk von den Rubber Trees geerntet wird. Ausserdem habe ich eine neue Bananensorte kennengelernt, ich habe sie Karottenbananen getauft, weil sie fast einen Orangeton haben und auch sehr knackig im Biss sind. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob die überhaupt zum Essen gedacht sind, oder eigentlich mehr als Kochbananen verwendet werden. Aber, ich habe es überlebt...:-).
Auffallend war auf dem Weg, und eigentlich die ganze Woche über, dass es ungewöhnlich viele Kirchen gibt. Hier scheinen also die christlichen Missionare gute Arbeit geleistet zu haben. Mr. Unni hat gesagt, dass der Anteil der Christen in Kerala bei 25% liegt (im Vergleich zu ca. 4% in ganz Indien), gefühlt müssten es aber eigentlich noch mehr sein.
Je weiter wir in die Berge kamen, desto besser wurde die Luft zum Atmen, bzw. überhaupt das Klima. Allerdings habe ich auch von Kurve zu Kurve immer mehr meine Enfield vermisst, eine Motorradtour hier in den Bergen wäre schon mal was Tolles.
Etwa 10 Straßenkilometer vor Munnar begannen dann schlagartig die Teefelder (sagt man da überhaupt Felder?), jedenfalls ein sehr beeindruckender und auch schöner Anblick. Bei einem Zwischenstopp konnten wir die (ausschließlich) Frauen bei der Teeernte beobachten, ein mühsamer Job, auch wenn heute nicht mehr nur mit den Händen geerntet wird, sondern immerhin so eine Art kleine manuelle Heckenschere mit integriertem Auffangbehälter verwendet wird.
In Munnar bezogen wir dann ein Hotel mit einem traumhaftem Blick in die Teefelder und tollem Balkon.
Sollte jemandem übrigens Munnar bekannt vorkommen, es ist neben Nilgiri eines der wichtigsten Teeanbaugebiete Südindiens und kommt außerdem im Buch und Film ¨Life of Pi¨ vor, es ist der Ort in dem Pi für sich den christlichen Glauben entdeckt (neben dem hinduistischem und dem islamischen), kurz bevor er sich auf die fatale Schiffsreise begibt. (Tipp: Lieber Buch lesen als Film kucken).
Am späten Nachmittag wollten wir noch auf den höchsten Punkt Südindiens fahren, einem Naturschutzgebiet in das man nur mit einem parkeigenem Bus kommt. Leider ist der letzte Bus um 16:30 losgefahren und wir sind um 16:33 angekommen. Bad Luck, aber was soll´s, dafür haben wir noch einen schönen Spaziergang durch die Teeplantagen vor dem Hotel gemacht.
Rund um den Tee
Am nächsten Morgen haben wir dem Teemuseum noch einen Besuch abgestattet (also, Kathrin und ich, die Kinder haben das Ausschlafen vorgezogen) und dabei alles Mögliche zum Thema Tee gelernt. Zum Beispiel, dass die Teepflanze kein Busch ist, sondern eigentlich ein Baum, dadurch, dass er aber regelmäßig geschnitten wird, wird er halt nicht größer (meine spontane Assoziation waren die Apfelbäume in Südtirol, ich glaube da ist es ähnlich). Der Teebaum wächst am Besten in einer Höhe zwischen 3500 ft und 7000 ft und an Hängen mit einer Neigung zwischen 30 und 45 Grad. Die Briten haben den Tee nach Munnar gebracht, sie haben halt schon bald erkannt, dass sich die Gegend sehr gut zum Teeanbau eignen würde und haben das bis dahin ungenutzte Brachland halt dann dem Maharadscha billig abgeschwätzt. Allerdings haben sie nur ein Drittel der Gesamt-Fläche angebaut und den Rest den Tieren und der Natur als Rückzugsgebiet gelassen (So rücksichtsvoll kennt man eigentlich die Engländer gar nicht, wer weiß was da wieder dahinter steckte).
Ein Teebaum wird ca. 450 Jahre alt und ca. 100 Jahre lang kann man ihn effektiv als Nutzpflanze verwenden. Ich dachte ja in meiner Naivität immer, es gäbe eine Pflanze für den grünen Tee und eine für den schwarzen Tee, bis ich gelernt habe, dass der Unterschied nur im Verarbeitungsprozess liegt, der grüne Tee ist nicht oxidiert, wenn man ihn weiterverarbeitet und im Wasserdampf oxidiert wird schwarzer Tee daraus (naja, ein bisschen komplizierter ist es, glaube ich, schon). Es gibt auch noch eine Zwischenstufe, aber ich habe vergessen wie die heißt. Und dann gibt es noch den weißen Tee, der wird, glaube ich, aus den Knospen gewonnen und ist sozusagen der Champagner unter den Teesorten, der Preis liegt (zumindest hier in Indien) auch ungefähr beim zehn- bis zwanzigfachen des Preises von schwarzen bzw. grünen Tee.
Ganz nebenbei haben wir dann noch erfahren, dass in der Zeit als die Briten mit dem Teeanbau in Munnar anfingen (ausgehendes 19tes Jhd.) auch Eukalypthussamen aus Australien eingeschmuggelt wurden und die entsprechenden Bäume bis heute als Brennmaterial sowohl zur Erzeugung des Wasserdampfs für die Oxidation als auch natürlich für die ganz normalen Koch-Öfen dienen.
Nach dem Museum ging es dann weiter durch die Western Ghats in Richtung Thekaddy... aber dazu mehr im nächsten Blog...
Achso, zu diesem Blog gibt es natürlich auch wieder ein paar Bilder...
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