...sind es noch nicht ganz, aber genau vor drei Monaten bin ich nach Indien geflogen. Ist es nicht üblich nach so einer Zeit das erste Resümee zu ziehen? Die entscheidenden Fragen sind vermutlich, gefällt es mir und würde ich es nochmal machen. Möchte ich nach Hause oder freue ich mich mehr auf die verbleibende Zeit. Ist es so wie ich es mir vorgestellt habe, usw...
Die einzige Frage, die ich eindeutig mit ja beantworten kann ist: Ja, ich würde es wieder (das erste Mal) machen. Das erste Mal deswegen, weil es aufregend ist, weil Alles neu ist, weil man sich jeden Tag auf´s Neue auf die Probe stellen muss, weil man das Leben wieder viel intensiver wahrnimmt. Ich würde kein Leben als Expatriate-Nomade führen wollen, wie es einige ja tun, dazu habe ich eine andere Vorstellung von Heimat (was immer das bedeutet), ich würde mich vermutlich auch nicht weigern mal woanders hinzugehen, wenn das Gesamtpaket stimmt, aber es wird halt kein erstes Mal sein. Und wenn man sein erstes Mal mit Indien erlebt, ist es sicherlich etwas Besonderes. Es gibt hier ein Buch, das gerade sehr gerne an Geschäftsbesuch aus Deutschland verschenkt wird, mit dem Titel: ¨Conquering the Chaos, Win in India, Win Everywhere¨, geschrieben vom ehemaligen Boss von Microsoft India. Ich habe es nicht gelesen, ich habe noch nicht mal reingeblättert, aber der Titel könnte passender nicht sein. Indien ist wirklich anders, es gibt sicherlich exotischere Völker, aber denen sieht man das auch an. Indien kommt ja manchmal durchaus mit einem westlichem Gewand daher, aber was drinsteckt ist halt indisch. Ich kann es leider nicht konkreter beschreiben.
Und gefallen tut es mir auch, meistens. Ich muss hier leider betonen, dass der Blog ja bewusst ausschließlich meine persönlichen Empfindungen, Erfahrungen und Erlebnisse im privatem Umfeld umfassen soll. Über den eigentlichen Grund warum ich hier bin, schreibe ich nichts, nur ganz kurz soviel: Das ist bis jetzt mit Abstand das komischste Projekt an dem ich jemals gearbeitet habe, und das ist noch die positivste Formulierung die mir einfällt.
Gestern waren wir auf einer Geburtstagsfeier eingeladen und ein anderer Gast hat irgendwann mal gesagt: ¨Die Empfindungen, ´Ich liebe Indien´ und ´Ich hasse Indien´ wechseln alle fünf Minuten¨. So extrem ist es natürlich nicht, aber der Kerngedanke ist schon richtig, wobei ich die positiven Erfahrungen schon bei weitem in der Mehrheit sehe, vor Allem wenn es um die Menschen geht. Hassen trifft bei mir eher mal im Bezug auf die Infrastruktur und auf die Umwelt zu. Vor allem Bangalore ist überwiegend ein Drecksloch, man muss das leider so sagen, ein riesengroßer chaotischer Müllhaufen, den man allerdings mit Unmengen Perlen übersäht hat. Wir haben das Glück in einer dieser Perlen zu wohnen, früher habe ich Palm Meadows immer als ¨faked India¨ im Vergleich zu ¨real India¨ bezeichnet, heute denke ich da anders, Palm Meadows ist genauso real India, nur halt eine komplett andere Facette.
Was mir auch gut gefällt ist die Vielfalt an Menschen die man hier kennenlernt, außer den Indern natürlich jede Menge Expetriates aus allen Herren (westlichen) Ländern. Das heißt jetzt nicht, dass mir alle diese Menschen gefallen, aber es ist unglaublich interessant und vielfältig sie zu beobachten. Manchmal auch erschreckend, wenn man sieht wie wenig manche dieser Leute von der indischen Mentalität und Kultur verstehen, selbst nach Jahren die sie schon hier verbracht haben. Leute die immer nur das Wie und das Was sehen, aber nie nach dem Warum fragen. Gottes Zoo ist ja bekanntlich groß und hier in Bangalore kann man halt, wie vermutlich in jedem Schmelztiegel auf dieser Erde, sehr viele Exemplare vorfinden, und interessant wird es halt dann wenn man sie nicht nach Hautfarbe und sonstigem Aussehen einteilt, sondern eher nach dem Wesen.
Auch bei den Indern gibt es natürlich alle möglichen Ausprägungen, und auch unter den indischen Menschen gibt es welche die ich als ausgesprochen sympathisch und welche die ich als ausgesprochene Arschlöcher empfinde, aber das ist halt alles subjektiv, was ich damit sagen will, es gibt halt auch hier die ganze Charakterpalette die der Homo Sapiens so zu bieten hat, nur halt eben abgebildet auf der indischen Kultur. Deswegen ist es schon richtig und wichtig wenn man von den kulturellen Unterschieden spricht, nur wird halt meistens nicht zwischen den Menschen und den Kulturen unterschieden, zumindest in der Ausdrucksweise, wahrscheinlich aber auch oft in der Denke. Man sagt halt gerne mal: ¨Der Inder ist..., der Inder macht...¨ anstatt korrekterweise zu sagen: ¨In der indischen Kultur ist es...¨ etc. Eigentlich selbstverständlich wenn man so darüber nachdenkt...und die indische Kultur hat halt unglaublich viel zu bieten und viel zu entdecken und wenn man mal glaubt irgendetwas verstanden zu haben und dann nochmal hinschaut, ist es im Detail halt doch wieder anders. So wie dieses Blütenarrangement auf dem Foto. Ich bin wochenlang daran vorbeigegangen, es ist vor dem Palm Meadows Club, natürlich ist es schön, aber man kennt es ja schon. Bis mich Kathrin darauf aufmerksam gemacht hat, dass es jeden Tag anders ist und auf Nachfrage ist es auch bestätigt worden, 365 verschiedene Muster im Jahr und das Jahr darauf 365 neue... und genau das ist es was diesen Aufenthalt so spannend macht, er verbreitert nicht nur den persönlichen Horizont, er bietet auch die Möglichkeit den Blick auf das Detail wieder anders zu lernen, wenn das will und wenn man das zulässt...
Und damit wird auch das Heimweh erträglich, das natürlich auch ab und zu aufkommt. Gestern bei dem Geburtstag gab es Leberkäse. Mein erster seit über einem Vierteljahr...:-) und dabei habe ich dann so nebenher erfahren, dass der gar nicht importiert war, sondern hier in Bangalore hergestellt wurde. Es gibt wirklich alles, man muss nur rausfinden wo...obwohl, der Senf dazu war aus Deutschland...
Also, es bleibt weiter spannend und ich freue mich auf die verbleibende Zeit, entweder bis zum Ende der Vertragslaufzeit oder bis das ¨komische Projekt¨ vielleicht doch eingestampft wird. Aber auch diese Situation passt zu Indien, man weiß nie was einem im nächsten Augenblick erwartet, ¨Erwarte das Unerwartete¨, so gesehen ist Indien genau wie ich es mir vorgestellt habe, voll von Überraschungen...wobei jetzt, in diesem Augenblick, weiß ich genau was ich machen werde, nämlich zum Bowling gehen, sofern uns unsere französischen Bekannten nicht versetzen...
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Annemarieke (Mittwoch, 02 Oktober 2013 16:54)
Gratuliere!!!
(hab leider nicht gewusst wenn du deinen geburtstag hatte)
XXX