Die Ratte

Warum muss es immer zur Eskalation kommen? Warum schafft man es nicht friedlich nebeneinander her zu leben? Man muss sich nicht unbedingt mögen, man muss sich halt tolerieren, gegenseitig Freiheiten einräumen... aber wann hat die Toleranz ein Ende und wann darf der Kragen platzen? Muss man sich alles bieten lassen? Oder gibt es einen Punkt an dem man auch Gewalt einsetzen darf, selbst wenn man damit rechnen muss, dass der Ausgang des Konflikts vermutlich tödlich sein wird...?  

Ich habe ja schon mal erwähnt, dass wir in unserem Büro einen Unter-/Obermieter haben, nacht aktiv, tagsüber hört man höchstens mal sein Trampeln wenn er scheinbar nicht schlafen kann. Wir sind (wenn überhaupt) tag aktiv und nachts in der Regel gar nicht da, beste Voraussetzungen also für eine friedliche Ko-existenz. Bis am Montag das Telefon ausfiel. Wir haben es erst gar nicht bemerkt, dass es sich um einen feindlichen Angriff handelte und haben die Ursache halt wie immer in der katastrophalen indischen Infrastruktur vermutet. Sicher, andere Telefone funktionierten, aber was weiß ich wie die Verteilung hier geregelt ist, zugegeben im Nachhinein waren wir vermutlich naiv.

Dann am nächsten Morgen die Gewissheit, unser Nachbar hat sich schamlos über meinen Kaffeeweisser hergemacht (den ich by the way eh nicht verwende, weil er so greislich schmeckt, dass ich mir angewöhnt habe den Kaffee schwarz zu trinken).

BDA after rat attack
BDA after rat attack

Während ich also, typisch deutsch, noch nach friedlichen Lösungen gesucht habe, hat Eric schon lange erkannt das man mit List und Tücke und letztendlich Gewalt voranschreiten muss. Ob das typisch französisch ist weiß ich nicht... jedenfalls hat er nicht lange rumgefackelt und heute eine ¨Klebefalle¨ mitgebracht. Was es nicht alles gibt. Angeblich ist der Kleber so stark, dass eine Ratte sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien kann. Als Köder hat er Tomaten verwendet, scheinbar wirkt das am Besten bei indischen Ratten.

Auf die Frage hin was er denn tun wird, wenn ihn die Ratte am nächsten Tag aus treuen Augen mit herzerweichendem Blick anschaut hat er gesagt: ¨...some of them die on the spot probably caused by a heart attack, if it still lives, we have to kill it...¨ Die weisen Worte eines erfahrenen Rattenjägers... Wie genau diese Exekution aussehen soll hat er nicht preisgegeben...

Jetzt bin ich ja morgen gar nicht da, weil wir unseren 4 Tage Wochenend-Trip nach Delhi/Agra vor uns haben. Ich weiß nicht ob es gut ist den Kameraden in dieser schweren Stunde im Stich zu lassen, aber Eric hat gesagt, er wird mich per SMS auf dem Laufenden halten (wenn es ein Foto gibt per MMS)...

 

Unser Gebäude ist noch keine 5 Jahre alt, wie kann es diese Ratte überhaupt geben? Das ist wieder typisch indisch, der Fliesenboden ist an vielen Stellen bereits kaputt, die Toiletten sehen aus, dass ich dem lieben Gott (oder Brahman) jeden Tag dankbar bin, dass ich im Stehen pinkeln kann, aber der Aufzug hat vor kurzem einen Software Update bekommen, so dass man jetzt Kaufhausgedudel hört und eine nette Damenstimme jedes Stockwerk herzlich begrüßt. Man stolpert hier immer und überall von einem Extrem ins andere... mal sehen in welche Richtung das Pendel in Nordindien ausschlagen wird.

 

Nachtrag: Ich habe gerade gesehen, dass Shekar heute ein Mittel gegen unsere kleinen Ameisen besorgt hat... mit dem aussagekraeftigem Namen DEADLINE...

Ich glaube ich muss hier meine pazifistische Grundeinstellung nochmal ueberdenken...

 

So, jetzt aber schleunigst ans Packen, morgen frueh um vier muessen wir schon im Auto sitzen...

 


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